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Etappe 011 - ob sich das auf das aktuelle Jahr bezieht? Oder binär für die dritte Veröffentlichung der Steinkinder steht? Egal, auf alle Fälle ist es der Titel des kürzlich erschienen Albums der Leipziger.
Denke ich an die letzten beiden Alben "Vom Hier im Jetzt" und "Galle, Gift & Größenwahn" zurück, würde ich Steinkind als brachial, rotzig und ironisch bis böse genial beschreiben. Also erwarte ich das natürlich auch diesmal.
Die Texte beschäftigen sich wieder mit dem Alltäglichen, dem Erlebten und den Unzulänglichkeiten des Daseins und lassen auch diesmal keine Wünsche offen: direkt, sarkastisch, nachdenklich, wütend - menschlich trifft's wohl am ehesten.
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Musikalisch gestaltet sich die dritte Steinkind-Etappe noch abwechslungsreicher als die ersten beiden. Es wird gewildert, was das Zeug hält, und von Oldschool-EBM über gängige Synthpopstrukturen, die teils an die 90er erinnern, Rock'n'Roll- und Surfanleihen bis hin zu den Standardriffs der Rammstein- und Manson-Generation ist alles dabei, was sich mit miteinander verträgt. Da liegt aber diesmal auch der große Unterschied zum Vorgängeralbum. Wurde auf "Galle, Gift und Größenwahn" stark darauf geachtet, es mit den produktionstechnischen Spielereien nicht zu übertreiben, wirkt "Etappe 011" zumindest zu Beginn - sagen wir mal - etwas zu überproduziert und glatt. Vor allem "Es muss" schöpft hier nicht sein volles Potenzial aus. Die guten Lyrics werden in etwas zuviel Bombast-Synthies gepackt. Diese schleifen die Kanten ab und so geht Kraft verloren, was den Track auf Dauer zum Skipknopf-Kandidaten verkommen lässt. Und auch "Belehr mich" fällt in dieser Hinsicht negativ auf und "glänzt" mit Gitarrenriffs von der Stange, welche getrost dort hätten bleiben können. Dafür legt man anschließend einen ordentlichen Zahn zu. Die Electro-Anarcho-Surf-Hymne "GB Rita" sollte man nicht nur jeder Pogo-Truppe empfehlen, sondern auch jeder Rockabilly-Tanzgruppe auf's Auge drücken. Fettes Teil, welches mit schnellen Rock'n'Roll-Gitarren aufwartet, quasi "Surfin' Bird" mit Steinkind paart und so extrem schweißfördernd auf Konzerten wirken dürfte ...wird die Gangbang Rita freuen!
Pause für den Körperklaus: "Gib mir mehr" widmet sich wesentlich minimalistischer und rein synthetisch der Suchtproblematik - leicht psychedelisch, auf jeden Fall aber etwas verträumt. Die sphärischen Synthieflächen nehmen den Hörer gut mit auf die Reise. Vom Thema her erinnert "Gib mir mehr" an "Mehr davon" von den Toten Hosen aus den 80ern, nur elektronisch. Süchte gibt's halt immer. ;) Dann prügelt's aber auch schon wieder richtig los. Die Verfehlungen der Gesellschaft starr im Blick, geht's mit "Hallo und schönen Tag" zurück auf die Tanzfläche, typischer Steinkind-Track - lyrisch böse, musikalisch stampfend!
Über "Weil nur hier oben" sollte man eigentlich kein Wort verlieren. Wirklich guter Text, aber die Musik des Refrains würde wunderbar an den Ballermann passen. Jungs, was hat euch da geritten? Da lob' ich mir "Einfach nur müde" - schräg, knallig, punkig und ein bisschen extravagant - und selbst das noisig-technoid angehauchte "Fühlst du dich" trägt eine bessere Handschrift. Dann back to Oldschool-Downtempo-EBM á la Steve Naghavi mit "Weil wir fressen". Schönes Ding über die Vielfältigkeit unserer Ernährung. ;-P Und hier bleiben wir musikalisch nun auch mit "Why Not Wieso", bei dem ich zu gerne den ganzen Text kennen würde, was aber den Käufern einer Retail-CD vorbehalten bleibt. Für mich eines der stärksten Stücke des Albums und durchaus tanzbar. Als Abschluss noch ein schönes rundes Liedchen ("Es wird Zeit") über Kinder mit 'ner zugeklebten Brillenseite, die heute Anzüge tragen und unser Land regieren wollen. Die Aufforderung zum Handeln, eine Hymne an die Revolution oder wie Brecht sagen würde: "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!".
Fazit:
Nun habe ich es wieder einmal getan: Lied für Lied angehört. Da sich "Etappe 011" aber wirklich als Achterbahnfahrt gestaltet, ist es wohl gar nicht anders möglich. Fest steht: Die Steinkinder haben lyrisch auch hier wieder alles gegeben und intelligente Texte abseits von "Ficken... Tanzen... Beides" geliefert. Fest steht auch, es sind musikalisch einige richtige Knaller auf dem Album: "GB Rita", "Why Not Wieso" oder auch "Es wird Zeit". Leider trüben vor allem "Belehr mich", "Es muss" und "Weil nur hier oben" den Gesamteindruck. Das Gefühl lässt einen nicht los, dass diese eine musikalische Anbiederung an den Szene-Mainstream sind. Zu glatt, zu überproduziert, zu verspielt. Das haben die Steinkinder nicht nötig und so hoffe ich, dass es ein Ausrutscher bleibt!
Tracklist:
01. Antipop (Skip next to skip intro)
02. Belehr mich
03. Es muss
04. GB Rita
05. Gib mir mehr
06. Hallo und schönen Tag
07. Weil nur hier oben
08. Einfach nur müde
09. Fühlst Du dich
10. Weil wir fressen
11. Why Not Wieso
12. Es wird Zeit
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