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Hach ja, ich liebe es. Nach langer Zeit endlich mal wieder ein Erstlingswerk in den Händen (und Ohren). Zumal von einer Band, die ich schon vor einiger Zeit live erleben durfte und die damals definitiv Lust auf mehr geweckt hatte. Es ist ja immer so eine Sache mit dem ersten Album - emotional für die Musiker, die ihr Herzblut in Silberlinge pressen, und technisch oft schwierig, besonders wenn man wie Leaves In Silence kein Label im Rücken hat und somit viele Hürden selbst überwinden muss. Ich habe für mich festgestellt, dass die frühen Werke vieler Bands und insbesondere die selbst produzierten, trotz oder gerade wegen ihrer Rohheit, einen unheimlichen Charme besitzen und das Universum der jeweiligen Musiker möglichst ungefiltert transportieren. Bei "Mirrored Views" ist es mir ähnlich ergangen, wobei es hier zu kurz gegriffen wäre von Rohkost zu sprechen. Aber mal der Reihe nach.
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Der Blick durch den Spiegel beginnt mit einem Intro, welches einen auf angenehm morbide Weise in Zeiten versetzt, als das digitale Zeitalter noch analog war - ausgeleierter Riemen für die Vinylzentrifuge inklusive. Passend zu dieser Stimmung folgt der Song "Undead" - getragen, düster und intensiv. Zum einen wird hier durch ausgedehnte Instrumentalpassagen bereits klar, dass den Hörer im Verlaufe des Albums einiges an musikalischen Leckereien erwartet, zum anderem überrascht Dennies - Sänger und Hauptfigur hinter Leaves In Silence - mit ungewöhnlich tiefem Gesang. Ungewöhnlich deswegen, weil ich ihn bisher eher mit höherer und kräftiger Stimme kannte. Obwohl hier durch Soundeffekte ein bisschen nachgeholfen wurde, passt der Gesangsstil recht gut und ergibt zusammen mit dem Bass und den Gitarren die schaurige Stimmung.
Die folgenden Songs präsentieren sich dann in einem etwas anderen Gewand. Der Bass tritt teilweise ein wenig zurück, die Gitarren treten mehr in den Vordergrund und die Stimme wird kräftiger eingesetzt. Musikalisch finden sich hier Stilelemente aus verschiedenen Genres zusammen, ohne den Sound in eine bestimmte Richtung zu drängen. Verträumte Wave-Guitarren paaren ihre sensiblen Melodien mit teilweise härteren Rhythmen wie etwa im Song "Shatter". Heraus kommen dabei sowohl recht eingängige Songs, die auch durchaus Tanzflächen erobern könnten, als auch eher sperrige und aufwendige Kompositionen, zum Beispiel "Seeking Solace". Der gemeinsame Faden ist hier die beeindruckende Gitarrenarbeit und melancholische Grundstimmung, wenn man denn unbedingt nach einem Faden suchen muss. Textlich gesehen werden durchaus verschiedene Dinge verarbeitet: Beziehungen, Gefühle, Gesellschaft, Erlebnisse - alles aus einer sehr persönlichen Sicht heraus. Der Titel "Mirrored Views" lässt ja genug Raum für Interpretationen. Meine Variante wäre die einer reflektierten Sicht auf sich selbst und die Dinge, die einem im Leben so passieren und beschäftigen.
Fazit:
Insgesamt ist das ganze Album ein Fundus an schönen musikalischen Ideen, die jede auf ihre Weise den Zuhörer packt und mitnimmt. Die ganze Scheibe hindurch zeigt sich der weite künstlerische Horizont, wie man es von einer Erstveröffentlichung ja irgendwie auch erwartet. Das lädt zum eigenen Entdecken ein. Damit spannt sich ein wenig der Bogen zur Überschrift dieser Rezension. Sowohl thematisch als auch kompositorisch ist "Mirrored Views" ein Album, das sich als Ganzes keiner bestimmten Zeit zuordnen lässt und mit guter Qualität aufwartet. Man scheut sich zwar nicht, den ein oder anderen geringfügig daneben geratenen Ton als Zeichen einer ehrlichen Erstaufnahme auf dem Silberling zu belassen, die Soundqualität der Instrumente und auch die spielerische Vielfalt zeigen aber deutlich, dass hier viel künstlerische und Bühnenerfahrung eingeflossen sind - immerhin hat Dennies u.a. in Bands wie New Days Delay reichlich davon sammeln können.
Ist es Postpunk? Ist es Wave? Doch eher Gothrock? Oder vielleicht sogar Hardrock? Die Beurteilung dürfte sicherlich bei jedem individuell verschieden ausfallen. Ich würde sogar sagen, dass sie sich zwischen den Songs durchaus ändern wird. Anders ausgedrückt: obwohl sich der musikalische Heimathafen von Leaves In Silence sicherlich irgendwo in den 80ern und beim Trad-Goth verorten lässt, ist das Gebotene einfach zu groß für einzelne Schubladen und verbindet viele Elemente zu einer neuen Welt. Mir bleibt nur noch übrig, jedem zu empfehlen, diese Welt für sich selbst zu entdecken, und zu hoffen, dass man Dennis und seine Mitstreiter bald auf Tour sehen und hören können wird.
Tracklist:
01. La Chasse Dans La Nuit (Intro)
02. Undead
03. Trapped Again
04. Sin Is Sweet
05. Shatter
06. Powerhouse
07. Scent Of June
08. Seeking Solace
09. To Set An End
10. Madness
11. Song For Dead Cousins
12. Ghost House
13. Zu zweit
14. Judas
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