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Drei Jahre habt ihr warten müssen, Fans von Lacrimosa, doch jetzt könnt ihr euch freuen. Die "Revolution" ist da und serviert euch auf zehn Liedern Pathos neben Zartheit, brachiale Gitarren neben lyrischem Piano, schluchzende Schreie neben nachdenklichem Flüstern - und hymnische Orchestereinlagen. Tilo Wolff und Anne Nurmi haben aus dem Vollen geschöpft und klingen auch nach Jahrzehnten frisch und energiegeladen. Der verstärkt rockende Ansatz vom letzten Album "Sehnsucht" wird fortgesetzt. So hinterlässt auch Mille Petrozza von der Metal Band Kreator als Gitarrist seine Spuren.
Jedoch und zum Glück beschreibt der Titel des neuen Albums keine tatsächliche Revolution innerhalb des eigenen Schaffens. Keine Umwälzung, keine Zerstörung. Auch keine echte Evolution. Doch gibt es etliche Ideen zu entdecken.
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Die Platte beginnt in der spezifischen Stimmung zunächst mit Klassik-inspirierter Klavierintroduktion und bäumt sich dann orchestral und zugleich rockend auf. Und vielleicht werdet ihr dann auch von dem etwas ungestümen, abrupten Vokalpart überrascht, mit dem Tilo Wolff punkig-hart einsetzt. Nun ja, man muss seine manchmal etwas kantige Weise mögen, mit rau-knurrender, leicht metallischer Stimme zu singen. Auch der Text dieses Liedes ist eher eine Anklage und Abrechnung, als lyrische Poesie.
Das einzige Lied auf der Platte, in dem Anne Nurmi solo auftreten darf, ist das englisch-sprachige ""If The World Stood Still A Day", in dem sich ihre melodiöse, sanfte Stimme kontrastreich mit einem dramatischen Rhythmus und aggressiven Gitarrenparts mischt. Umso mehr Raum kriegt das folgende "Verloren", das seine 7 Minuten auch benötigt, um all die Elemente aus treibendem Bass, schluchzender Western-Mundharmonika, pathetischen Metal-Einlagen und das Auf und Ab wechselhafter Dramatik unterzubringen.
Tilo Wolff probiert im "This Is The Night" ein Arrangement als vielfacher A-Cappella-Klon - und wenn das Lied auch von einigem Getöse durchsetzt ist, dominiert der kabaretthafte, teilweise bis ins Kitschige übersteigerte Stil. Die Turbulenzen werden vom folgenden "Interlude" nur zwischenzeitlich kaschiert, ehe eine Mixtur aus Balkan-Party, Hammondorgel und Heavy Metal Gitarrensolo über die mehrschichtige Torte gegossen wird. Da ist Zeit zum Atemholen dringend nötig und diese wird gnädig gewährt: "Refugium" verspricht schon als Titel einen Ort der Erholung; ein eher düsterer, schwermütiger Ort in Form einer getragenen Ode. Maestro Wolff heiser, gefühlvoll und verhalten singend mit Klavierbegleitung.
"Rote Sinfonie" - die Spielmann-Schnyder Philharmonie sorgt für die massive Opulenz zwischen Romantik und Feuerwerkmusik, eine Kirchenorgel dramatisiert zusammen mit schmelzenden Geigen, die entstehenden filmhaften Harmonien werden von Rockgewittern durchlaufen. Und all das auf über 11 Minuten. Auch wenn diese Sinfonie nur einen Satz hat, ist dieser vom Klimawechsel schwer gezeichnet.
Fazit:
Lacrimosa - konzertant und rockend, vielseitig und leidenschaftlich und ganz sicherlich euch Fans wieder mal in zwei Lager spaltend: in die, welche meinen, das hätte nichts mehr mit dem Seelenschmerz und dem Feingefühl früherer Jahre zu tun, und die anderen, die sich von dem theatralischen Drama zwischen unterschiedlichen Elementen aus Klassik, Metal, Schreien und Flüstern gepackt fühlen. Also doch Evolution? Aber ist es so bei individuellen, persönlichen Entscheidungen nicht stets - allen kann man es nicht recht machen. Dieses Album zeigt, dass vor allem Tilo Wolff es sich selbst recht machen wollte und sein musikalisches Dasein mit einem Glanz aus schillerndem Glamour überzieht.
Tracklist:
01. Irgendein Arsch ist immer unterwegs
02. If The World Stood Still A Day
03. Verloren
04. This Is The Night
05. Interlude – Feuerzug (Part I) – Instrumental
06. Feuerzug (Part II)
07. Refugium
08. Weil du Hilfe brauchst
09. Rote Sinfonie
10. Revolution
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