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Wenn Escape with Romeo in der offiziellen Presseverlautbarung zu ihrem neuen Album "Samsara" von einem Neuanfang sprechen, dann sollte man dies schon vor dem Einlegen der Scheibe ernst nehmen und alles vergessen, was man über EWR bisher wusste. Naja, vielleicht nicht alles, aber fast...
Jeder, der Escape with Romeo mit ihrem All-Time-Favourite "Somebody" oder Songs wie "Helicopter In The Falling Rain" und "Lovesick" verbindet, wird beim Hören des neuen Werkes unweigerlich fast ungebremst auf dem Boden aufschlagen. EWR haben sich neu erfunden und das ist nicht jedermanns Geschmack.
"Samsara" stellt sich sowohl musikalisch als auch textlich als Wechselbad vor.
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Gut durchdacht trifft langweilig vorhersehbar, Lyrik, die ganz in alter Tradition Bilder malt und den Hörer in sich hineinzieht, trifft Klischee und Kitsch erster Güte - härterer Synthiepop trifft unheiligen Schlager und dann gibt es doch wieder emotional gut getroffene wavige Balladen mit Akutisk-Gitarre, die positiv überraschen.
Apropos Gitarre: Die Wave-Gitarren gehören der vergangenheit an, stattdessen dominieren auf "Samsara" elektronische Elemente und in den Vordergrund gestellte Dub-Beats, die die Geschwindigkeit drosseln. Trotz dessen wirken die Songs häufig zu leichtfüßig, um die in den Lyrics verarbeitete Resignation und Sehnsucht umzusetzen. Dabei gibt es durchaus Ausnahmen, z.B. "Everyone against Everyone", das das Zeug hat, auch seinen Weg auf die Tanzfläche zu finden. Die Selbstfindung bewegt sich hier noch in der Vor-Resignationsphase und das schlägt musikalisch durch. In die entgegengesetzte Richtung fällt vor allem "Eleisia" positiv auf und stellt für mich eines der wenigen Stücke auf dem Album dar, bei dem man sich sofort in den Protagonisten hineinversetzen kann. Man sieht Thomas Elbern förmlich mit den Händen in den Taschen der verschlissenen Jeans, den Kragen der Filzjacke hochgeklappt, an den Hochhäusern einer in der Morgendämmerung fast ausgestorbenen Stadt hinaufschauen.
Die meisten anderen Songs plätschern zu glatt vor sich hin, auch wenn teilweise durchdacht an die Umsetzung herangegangen wurde. Dies zeigt sich unter Anderem bei der Verwendung des Vocoder, der bei "Simulationen" und "Ground Control" passend zum Inhalt eingesetzt wurde, die Titel aber auf Dauer nicht interessanter macht. Das hatten wir in den 80ern schon ausgefeilter. Diese Übernahme von Bekanntem gibt dem Album auch an vielen anderen Stellen einen faden Beigeschmack. Zuviel war schon da und zu wenig von EWR ist übrig geblieben. Nehme man "Spring auf den Zug", das zu Beginn wie die flache Adaption eines Funker Vogt Songs wirkt, oder "Enter Samsara", das extrem an alte DE/VISION-Songs erinnert. Letzteres gehört allerdings trotzdem zu den besten Tracks des Albums, was nicht zuletzt an der fein gezupften Akustik-Gitarre liegt, die dem Track eine gewisse Eigenständigkeit verleiht. Ebenso gehören hier die Lyrics zur besseren Hälfte, die nicht nur darstellt, sondern auch verbindet und anregt. Dort lässt sich auch "Wrong Laila" verorten, wobei man sich wünschen würde, dass Thomas Elbern, die Erkenntnis, dass Laila die Falsche ist, endlich herausschreit und seinen Emotionen Luft macht, aber dafür scheint er einfach zu zartfühlend. Dem entgegen wirken die meisten deutschen Texte des Albums zu platt (eine Eigenart, die deutsche Texte nun einmal gegenüber ihrem englischen Pendant leider aufweisen). Auf's Schlimmste strapaziert wird die lyrische Ästhetik wohl bei "Sie liebt dich (nicht)". Da fragt man sich, ob der Text dann doch von einem 14-jährigem Bartlosen geschrieben wurde oder das Lied an sich einfach nur eine Anbiederung an den Mainstream-Schlager ist. Zu sehr klingt bei den deutschen Texten Einiges nach "reim' dich oder ich schlag" dich". Das geht besser...
Fazit:
Als in der Vergangenheit EWR doch sehr zugeneigtem Hörer, hat mich "Samsara" stark enttäuscht. Das Album ist sicher ein Neuanfang, der aber noch in den Kinderschuhen steckt. Mag sein, dass eine Band nach so langer Zeit ihrer Existenz ihren Stil überdenken und in eine andere Richtung marschieren will und dass das unter bestimmten Begleitumständen zu Zwischenergebnissen führt. Hoffen wir mal, dass dies bei Escape with Romeo und "Samsara" der Fall ist. Betrachtet man Samsara als den immerwährenden Zyklus von "Werden", "Sein" und "Vergehen", wie es in der Pressemitteilung steht, kann man nur hoffen, dass bei Escape with Romeo beim nächsten Album wieder das "Werden" einsetzt. Sorry, Jungs!
Tracklist:
01. Everyone Against Everyone
02. Simulationen
03. Sie Liebt Dich (Nicht)
04. Ground Control
05. Tears Of Kali
06. No Place To Go Now
07. Spring Auf Den Zug
08. Freier Fall
09. Enter Samsara
10. Wrong Laila
11. Stadt Ohne Namen
12. Vom Heiligen Krieg
13. Eleisia
14. Utopia
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