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XVII. Wave-Gotik-Treffen 2008 - Der Bericht
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Geschrieben von preacher_man   
Donnerstag, 29. Mai 2008
Zu den WGT-Fotos...
 
Donnerstag: Anreise
 

Fast ein Jahr mussten wir wieder einmal warten, doch am 08.05.08 war es endlich soweit. Der Zeltplatz des XVII. Wave-Gotik-Treffens öffnete seine Pforten. Dank relativ freier Autobahnen in Thüringen und Sachsen erreichten wir bereits gegen 10:30 am Donnerstagvormittag das Agra-Gelände und wie immer war schon das Warten auf die Zeltplatzöffnung sehr amüsant. Das Feiern hatte begonnen!
Die Motorradstaffel der Leipziger Polizei sorgte dafür, dass bereits um 12:30 der Einlass begann und so blieben am Nachmittag die sonst üblichen Schlangen am Eingang zum Gelände und Parkplatz aus. Sofort fiel die ungewohnt freundliche Security auf, die ihre gute Laune, bis auf einige kleine Ausnahmen, auch über die folgenden sechs Tage beibehielt.
Der Himmel war strahlend blau und verhieß ausnahmsweise, nach Jahren des Regens, endlich wieder ein superheißes WGT. Schnell Zelt aufbauen, Bierchen trinken und gegen 17:00 - 18:00 ab zum Bändchenstand. Dort bekam man als Obsorgekartenbesitzer dann den ersten kleinen Dämpfer - irgendwas ist ja immer… Der Treffensilberling war wieder einmal nicht rechtzeitig fertig. Doch im Gegensatz zum vergangenen Jahr, in dem es die Veranstalter schafften, die CDs während des Treffens nachzureichen, sparte man sich diesen Aufwand diesmal und legte einen Gutschein bei, mit dem man den Silberling ab Juni per Post anfordern kann. War da vielleicht etwas Hoffnung im Spiel, dass man nur 5000 CDs braucht, weil die Leute zu faul zum Anfordern sind?
Und wenn man schon etwas angesäuert ist, bekommt man auch gleich das passende Bändchen. Das war wahrscheinlich der Grund, weswegen die Obsorgebändchen erneut von grottenschlechtem Geschmack zeugten, während Nicht-Obsorge-Besucher Eines in schickem lila bekamen.
Tja, was macht man mit einem angebrochenen Donnerstagabend auf dem WGT? Nach reiflicher Abwägung der Musikstile entschieden wir uns gegen die Agra 4.2 und die Moritzbastei und fuhren mit der StraBa Richtung Kulturbundhaus zur Gothic Pogo Party (GPP). Dort angekommen stellten wir fest: So viele Leute, wie draußen stehen, muss es ganz schön voll drin sein. Ok! Schauen wir mal! Reingegangen: Hm, komisch, außer der Belegschaft und zwei Merchandiseverkäufern ist niemand da! … Ahh, da war ja noch was: Rauchverbot! Toll, also vier Euro Eintritt für 'ne leere Party. Um die Verluste gering zu halten, hat man sich natürlich etwas einfallen lassen. Man muss sein Bier vor dem Rausgehen austrinken (Hab ich nicht grad einen Euro Pfand auf die Flasche bezahlt?), um nach einer Zigarettenlänge gleich wieder ein Neues zu holen. Und nicht genug: auch für das ‚Wegschaffen’ des Bieres durfte man noch extra löhnen, hatte man doch eine eigens dafür zuständige Toilettenkraft.
Selbst als wir bereits gegen 0:00 die Lokalität verließen, um die Auftaktfeierlichkeiten lieber auf dem Zeltplatz fortzusetzen, hatte sich das Bild nicht geändert - 90% der Gäste tranken ihr eigenes Bier VOR dem Kulturbundhaus. Na liebe Politiker? Wo sind denn die Nichtraucher?

 
Freitag: Ruhig Loslegen
 

Den Freitag ließen wir aufgrund unseres über die Jahre doch etwas spezieller gewordenen Musikgeschmacks ruhig angehen. Mit ausgiebigem Duschen, Essen und durch die Stadt schlendern überbrückten wir gemütlich den Nachmittag. Zurück auf der Agra hatte sich der alljährliche Parcour der Eitelkeiten bereits gut gefüllt und das Spektrum der Besucher hatte seine übliche Vielfalt erreicht. Pünktlich zum Eröffnungskonzert betraten wir die Agra-Halle.
Die Ehre, den schwarzen Reigen in Leipzig zu eröffnen, oblag diesmal dem Urgestein der Neuen Deutschen Todeskunst: Das Ich. Wer die Bayreuther schon einige Male erlebt hat, weiß, dass man mit einem ihrer Konzerte nicht viel falsch machen kann, selbst wenn einem die Musik persönlich nicht so liegt. Die Bühnenperformance des - wie meist - rot angemalten Stefan Ackermann war gewohnt gut, die Highlights bei den Das Ich Konzerten bleiben für mich aber nach wie vor die drehbar befestigten Keyboards von Ziegenböckchen Bruno Kramm und seinem Kompagnon. Das Publikum nahm die Songmischung aus fast 20 Jahren Bandgeschichte dankbar an und als ‚Belohnung’ gab es auch die beiden neuen Stücke „Kannibale“ und „Sing mir ein Lied“ zu hören. Selbst die verhältnismäßig schlechte Akustik der Agra vermochte die Stimmung nicht zu trüben. Was für das Eröffnungskonzert allerdings unüblich erschien, waren die doch noch lichten Publikumsreihen, die sich allerdings über die Dauer des Treffens fast kontinuierlich fortsetzten.
Mit Sigue Sigue Sputnik sollte der Abend von DER Elektro-Spacepunk-Band der 80er fortgesetzt werden und wie schon vermutet, handelte es sich dabei nicht um die Band mit dem eigentlichen Mastermind Tony James, sondern um das Derivat des ehemaligen Sputnik Sängers Martin Degville. Der Atmosphäre tat dies keinen Abbruch, auch wenn man nicht ganz an den Auftritt der Originalbesetzung im Jahr 2000 anknüpfen konnte. Neuzeitindianer Martin Degville hatte alles unter Kontrolle und so konnten Hits wie „Love Missile F1-11“ auch 2008 wieder überzeugen.
Wir überließen nun die Agra der jüngeren Generation und machten uns auf den Weg zur Moritzbastei. Zuvor stand aber noch eine Stippvisite bei 32 Crash im Werk II auf dem Programm. Auch das Werk II war zu diesem Zeitpunkt nicht gerade voll, doch die Stimmung war gut.
Nachdem mir das aktuelle Album der Belgier das erste Mal zu Ohren gekommen war, war ich ziemlich überrascht von Jean Luc de Meyer noch einmal etwas Vernünftiges zu hören. Nach den eher enttäuschend technoiden Auftritten von Front 242, die ich in den letzten Jahren erlebte, war dieses Electro-Punk-Album ein wahrer Genuss. Und auch live konnten de Meyer und die beiden Implant-Mitglieder Len Lemeire und Jan D'Hooghe durchaus begeistern. Sicher kann man die Bühnenshow nicht mit einer guten Rockband vergleichen, doch vor allem die Hingabe des Drummers Jan D'Hooghe an sein Instrument kam hervorragend rüber.
Leider konnten wir den Auftritt der Belgier nicht bis zum Schluss genießen, wollten wir doch unbedingt unseren Headliner des Tages, The Beauty Of Gemina, sehen. Die Moritzbastei war wegen der geringen Größe des Bühnenraumes in den letzten Jahren immer eine meiner Lieblingslocations und mir für die gute Akustik (abgesehen vom immer zu lauten Schlagzeug) bekannt. Doch was die Mischer bei The Beauty Of Gemina ablieferten, grenzte an die Vergewaltigung von wirklich guter Musik. Michael Sele hat eine beeindruckende Stimme, doch wenn die Musik um ihn herum klingt, als ob man einen Löffel in eine leere Blechschüssel wirft, sollte man schleunigst das Bodenpersonal wechseln. Trotzdem war es aufgrund des Tiefgangs der Songs und der schon erwähnten genialen Stimme des Sängers noch ein gutes Konzert und es war schön, die Songs des hervorragenden Debüts der Schweizer endlich einmal live erlebt zu haben. Jetzt heißt es wohl erst einmal wieder: warten auf’s nächste Album. Das Konzert war übrigens sehr gut besucht, der Saal voll und die Stimmung super.
Nach noch ein, zwei Bierchen und dem Knüpfen einiger netter Bekanntschaften machten wir uns dann auf den Weg zur When We Were Young Party im Parkschlösschen, um den Abend würdig ausklingen zu lassen. Nach den Erfolgen der letzten Jahre sind die WWWY-Parties für viele, die Deathrock, Gothrock und Batcave bevorzugen, zu einem der, wenn nicht gar dem Highlight des WGTs geworden. Und auch in der neuen Location traf man wieder alte Bekannte, interessante Menschen und wie immer auch einige Bandmember des WGT-LineUps, wie Frank The Baptist oder den ein oder anderen Gothrocker von Reptyle (gelle Keule? *g*).
Da das Parkschlösschen nun einmal im Park liegt, muss man schon ein Stück Fußmarsch in Kauf nehmen oder man nimmt einfach zu viert ein Taxi für 1,30 Euro pro Person. Auch auf der WWWY spiegelte sich, zumindest am Freitag, das Rauchverbot in nicht ganz so gut gefüllten Innenräumen wider und so machte, trotz der schon kühlen Außentemperaturen, auch die Theke im Biergarten einen guten Umsatz. Die Musik konnte sich wie immer hören lassen. Dafür sorgten DJ NECRO Phil (Remembrance Daze), DJ Sean (Strange Night) und DJ C.C.C.P. (Onderstroom). Was negativ auffiel war vor allem die etwas magere Ausstattung des Erdgeschosses, welche aber wohl dem noch nicht abgeschlossenen Um- und Ausbau geschuldet war. So hatte der Nebenraum des Tanzsaales in etwa das Flair eines schlechten Mannschaftsheimes der Bundeswehr und im Tanzsaal selbst fehlte es an Deko und jeglichen Sitzmöglichkeiten. Wer aber eh’ auf 80er-Underground-Flair steht, dem macht dies nicht wirklich viel aus.
Im Obergeschoss des Parkschlösschens lief parallel die Neoromantik-Party, welche wir jedoch u.a. aufgrund des zeitweisen Einlassstops nicht besuchten. *g*

 
Samstag: Szene, wie sie sein soll
 

Der Samstag begann für uns musikalisch außerordentlich gut, denn wir hatten uns schon seit einigen Wochen auf den Auftritt von Reptyle auf der Parkbühne gefreut. So überzeugten uns die Bielefelder von Anfang an mit straightem, tanzbarem Gothrock, wie man ihn heute meist vergeblich sucht und vor allem mit der Stimme von Sänger Zulu, welcher von tiefstem Metal-Gegrunze bis zu melodiösem Gesang in höheren Tonlagen alles zu verkraften scheint. Während der Frontmann von Beginn an alles gab und vor allem gegen Ende des Konzertes noch einmal richtig zulegte, schien dem einen oder anderen Saitenspieler allerdings noch die Party vom Vortag in den Knochen zu stecken. Die Gluthitze tat ihr Übriges dazu. Insgesamt allerdings lieferten die Bielefelder eine wirklich gute Show, die zumindest teilweise mit Headliner-Qualitäten aufwarten konnte. Nach nunmehr neun Jahren Banderfahrung und Auftritten, u.a. mit Clan Of Xymox, Cinema Strange und Funhouse, sollte eigentlich endlich der Erfolgsknoten platzen und auch ein Slot zu späterer Stunde drin sein.
Mit einigen Klängen von Escape with Romeos „Anteroom For Your Love“ im Ohr verließen wir die Parkbühne und enterten das Werk II.
Wie schon fast üblich, fand auch dieses WGT am Samstag im Werk II wieder der Batcave- & Deathrocktag statt und wie ebenfalls nahezu üblich sparte uns dieser die sonst häufigen Locationwechsel.
Los ging es für uns mit dem Konzert von Cauda Pavonis, in welches wir hohe Erwartungen setzten. Frontfrau Su hatte von Beginn an das Zepter auf der Bühne und das Publikum in der Halle A fest in der Hand. Noch nie live gesehen, hatten wir sie bereits nach dem ersten Titel lieb gewonnen. Mit ihrer voluminösen Stimme und ihrer fast schon brachialen Erscheinung wirkte sie wie die Mutti, die gern kocht und den Hasenbraten auch mal selbst schlachtet. Bei dieser Muttiaura gepaart mit Ohrwürmern wie „Love Like Broken Glass“ fühlten wir uns wie zu Hause. Obwohl die britische Band seit Jahr und Tag ohne Label arbeitet - oder vielleicht gerade deshalb - hatte man das Gefühl, dass Cauda Pavonis Spaß hatten, dass sie das verkörpern, was sie tun, und dass sie irgendwie mit sich und der Welt im Reinen sind. Das übertrug sich natürlich auch auf das Publikum.
New Days Delay schlugen anschließend etwas punkigere Töne an. Die Bühnenpräsenz der Band passte perfekt zum Sound und ich habe in meinem Leben noch keine Hello Kitty Gitarre gesehen (eigentlich wusste ich vorher nicht einmal, was das ist). Sängerin Insa allerdings übertrieb es ein bisschen mit den Rotzpunk-Geschrei-Attitüden und so erinnerten New Days Delay an diesem Tag ziemlich stark an Jennifer Rostock. Eins muss man ihr aber lassen: sie hat ein gutes Gespür dafür, was bei einer Bühnenperformance gefragt ist, und Posen kann sie auch. ;-)
Das konnte auch die nächste Band, Götterdämmerung. Nach einigen Konzerten und dem Vergleich mit den Silberscheiben im heimischen Wohnzimmer finde ich: Götterdämmerung kommen live einfach noch mal um Längen besser rüber als auf CD und sind seit nunmehr 15 Jahren definitiv eine Bereicherung der Szene. Live überzeugten sie vor allem wieder durch die theatralische Darstellung der Songs durch Frontmann Guido von N., der die Lieder nicht nur singt, sondern schon fast als Theaterstück zelebriert und durch seine extrem drahtige Erscheinung die Blicke der Zuschauer auf sich lenkt, ob man nun will oder nicht. Neben Stücken der aktuellen CD „Of Whores And Culture“ gab es natürlich auch wieder einige Klassiker zu hören.
Dann kam der große Hunger und so erhaschten wir von Tragic Black leider nur ein paar Töne von außerhalb der Halle, bevor wir diese zu The Dirty Weather Project wieder betraten.
Wer Lucas Lanthier und Frank Vollmann schon mal als Dirty Weather Project zusammen in einem kleinen Club erlebt hat, wird sich sicherlich auch vor dem WGT gefragt haben: „Wie soll das in einer Halle wie dem Werk II wirken?“. Dass sicherlich nicht so eine familiäre Atmosphäre zustande kommt, sollte klar sein, aber unserer Meinung nach haben die beiden bewiesen, dass sie mit ihrer Mischung aus Kneipenkonzert und Theaterstück auch große Hallen hervorragend unterhalten können. Vor allem mit der zeitweisen Erweiterung des LineUps um die Techniker, die während des Konzerts von den „Räubern“ Frank und Lucas überfallen, erstochen, ausgeraubt und mit Bier abgefüllt wurden, bewiesen die beiden Hauptprotagonisten wieder einmal ihren Einfallsreichtum. Ein Dirty Weather Project Konzert hat eben seinen ganz eigenen Charme, ist immer etwas anders, aber alles andere als langweilig. Und so bleibt einem auch nach dem WGT wieder nur zu sagen: Daumen hoch für Frank und Lucas!
Dann kam der Headliner des Abends: The Superheroines. Eigentlich bleibt einem zu Eva O kaum noch etwas zu sagen, was nicht schon irgendwann gesagt wurde. Die Grandma des Deathrock und Witwe von Rozz Williams spielte zusammen mit den anderen Superheroines wieder ein solides Setup, die Stimmung war gut, auch wenn die Halle nicht bis zum letzten Platz besetzt war. Einziges Manko war die fehlende weiße Gitarre der Goth-Queen, die wir im letzten Jahr noch so bewundert hatten.
Nach den Superheroines ging es dann erneut ab zum Parkschlösschen, da wir auf den super geheimen, hochdeklarierten Mitternachtspecial-Tophit Northern Lite bei Weitem nicht so scharf waren, wie auf guten Gothrock aus der Konserve. Wieso man um Northern Lite so einen Hehl machte, wird einem wohl nie von offizieller Seite gesagt werden, aber die Ausrede, man wolle keine szenfremden Leute anlocken, ist aufgrund der Tatsache, dass ein normales Northern Lite Konzert etwa 20-25 Euro kostet und diesen Sommer an fast jeder Ecke stattfindet und eine WGT-Karte 58 Euro kostet irgendwie nicht haltbar. So etwas tut sich nicht einmal ein Hardcorefan an… Aber vielleicht trifft es ja auch die inoffizielle Begründung, eine andere (wirklich große) Band habe abgesagt und Northern Lite seien nur freundlicherweise eingesprungen. Wer weiß.
Im Parkschlösschen war die Stimmung am Samstag jedenfalls außerordentlich gut, die Tanzfläche voll und die musikalische Mischung der DJs Scary Lady Sarah (Nocturna), Jürgen Jakob (Decaydance) und Ian P.Christ (Remembrance Daze) konnte sich wirklich hören lassen. Ganz nebenbei konnte man wieder das ein oder andere Wörtchen mit verschiedenen Bandmitgliedern wechseln, so zu Beispiel mit Eva O und den Jungs von Tragic Black, die, wie wir jetzt wissen, auch Autogramme sammeln. ;-)

 
Das Wort zum Sonntag: Moonchild
 

Das Hauptwort am Sonntag hieß: „warten“ … warten auf Fields Of The Nephilim. Auf wen sonst? Aber erst einmal war ja Nachmittag. Nach einer gepflegten Dusche und einem ausgedehntem Mahl stellten wir fest, dass wir die ersten beiden Bands, die wir in der Agra sehen wollten - Atomic Neon und Star Industry - bereits verpasst hatten. Ärgerlich! Als wir endlich ankamen, standen schon die Fliehenden Stürme auf dem Programm. Das Urgestein des deutschen Depripunks ist nun schon seit Jahren nicht mehr aus der Szeneumgebung wegzudenken, gab aber erst in diesem Jahr sein WGT-Debüt. Die Akustik in der Agra war nicht gerade berauschend, aber erträglich. Es gab schon wesentlich bessere Stürme-Konzerte, aber auch wesentlich schlechtere und Klassiker wie „Wo das Chaos brütet“ endlich auf dem WGT zu hören, war für den Anfang des Tages schon einmal nicht schlecht. Vielleicht kamen mir die Stürme in der großen Halle und auf der ebenfalls recht großen Bühne aber auch nur etwas verloren vor…
Danach gab es dann das offizielle Abschiedskonzert von Christian Death 1334. Die Dinosaurier der Deathrock-Szene, u.a. mit Eva O und Rikk Agnew, hatten eigentlich zum 31.03.2008 schon das Ende ihrer gemeinsamen CD1334-Reise bekannt gegeben, rafften sich für das WGT dann aber doch noch einmal auf. Musikalisch begeisterten die Rozz Williams Tracks wie eh und je. Vor allem Rick Agnew - mittlerweile ein Bär von Mann mit einem Zelt von T-Shirt - holte mit seiner Gitarre das volle Potential aus den Songs. Einzig Eva O wirkte zeitweise völlig verpeilt. Ein bisschen mehr Schlaf und weniger sinnesvernebelnde Substanzen wären echt schön gewesen und hätten das Konzert wahrscheinlich noch einmal extrem aufgewertet.
Den darauf folgenden Act schenkten wir uns, denn Frontmänner, die ihre Fans als minderwertigen Menschenmüll bezeichnen, muss man sich nicht antun, noch dazu, wenn man der Musik sowieso nichts abgewinnen kann.
Aber genug davon. Nach Bier und einigen Zigarettenlängen im eingezäunten Außengelände der Agra, widmeten wir uns lieber dem Auftritt von London After Midnight, welchen wir an sich mit Spannung erwarteten. Nach Jahren ohne neues Material veröffentlichte Sean Brennan 2007 mit „Violent Acts Of Beauty“ ein Album, bei dem eine doch recht große klangliche Umorientierung zu spüren war - was sich allerdings als gar nicht so schlecht erwies. Live hätten London After Midnight durchaus das Potential gehabt, auf dem WGT einer der besten Acts zu werden, doch wurden sie wohl am stärksten von Technikpannen heimgesucht. Von Mikrofonaussetzern bis zu nicht funktionierenden Gitarrenverstärkern war alles dabei, was Murphys Herz begehrt und so konnte weder das Verteilen von Rosen noch die passend gewählten Hintergrundvideos das Konzert noch wirklich zu einem Erlebnis machen. Ein Kompliment für’s Durchhalten verdient Sean Brennan allemal - ich hätte die Bühne wahrscheinlich aufgegeben, die Gitarre Richtung Tontechniker ins Mischpult gefeuert und wäre gegangen. Beim London After Midnight Konzert machte sich übrigens auch erstmals das Rauchverbot in Form von unangenehmen Körpergerüchen jeglicher Art bemerkbar.
Nach der üblichen langen Umbaupause und dem Soundcheck vor dem Mitternachtsspecial war es dann endlich soweit und die ersten Klänge des Meisters, des Neowesternkönigs, des Hutgottes schlechthin ertönten. Wir hatten natürlich unseren Platz in der ersten Reihe mit unserem Blut verteidigt. Nein, nicht ganz, Fields of the Nephilim Fans sind relativ pflegeleicht und gesittet.
Aber weiter im Text. Von Beginn an waren sowohl Sound als auch Technik auf höchstem Niveau und die WGT-Orga sollte wirklich überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, zwei Euro mehr zu investieren und sich auch Techniker zu holen, die ihr Handwerk verstehen. Wie auch schon bei den letzten Konzerten begann das Set mit „Shroud“ und „Straight To The Light“ vom 2006er Album „Mourning Sun“ und bereits beim Intro war die Menge am Toben. Dafür reichte es schon, dass Lee Newell (Drums), John Carter (Bass) und Gav King sowie Tom Edwards (beide Gitarre) ihre Plätze einnahmen. Mit dem Nebel stieg auch die Spannung und mit dem Erscheinen Carl McCoys auf der Bühne war klar: der Mann hat in den letzten Jahren nichts an Charisma und Ausstrahlung verloren. Stimmlich perfekt und doch nicht zu nah an den CD-Versionen gestaltete sich das Konzert als das wahre Gothrock-Highlight des Jahres mit einer BestOf-Show aus 2 ½ Jahrzenten Fields Of The Nephilim. Einzig "Penetration", einer von zwei gespielten Songs der Nefilim-Platte „Zoon“, erinnerte daran, das Herr McCoy auch seine wirklich metallischen Zeiten hatte. Doch mit Klassikern wie „Trees Come Down“, „Dawnrazor“, „Moonchild“ und „Watchman“ und dem sphärischen „Mourning Sun“ der gleichnamigen aktuellen LP legten The Neph das Hauptaugenmerk diesmal eindeutig auf die klassischen Gothrockgitarren - und das war gut so! Nach dem zehnten Track „Mourning Sun“ verließ die Band die Bühne, doch es war klar: so leicht kommen sie nicht davon und an Carls Gesichtsausdruck während des Konzertes merkte man schon, dass er das auch gar nicht wollte. So gab es nach kurzer Beratung noch zwei Zugaben. Die erste von beiden war überraschenderweise der Klassiker „Preacher Man“ (Ähnlichkeiten mit dem Namen des Verfassers dieses Berichts sind natüüüürlich rein zufällig *g*), welcher seit der Fields-Live-Rückkehr im letzten Jahr, zumindest meines Wissens nach, noch nicht auf der Bühne performt wurde. Zum Abschluss gab es noch eine extralange Version von „Last Exit For The Lost“. Dann war es auch leider, nach 1 Stunde und 20 Minuten, schon vorbei und die Ur-Gothrocker ließen ein überglückliches und schön-melancholisches Publikum zurück.
Fields Of The Nephilim waren im Jahr 2008 das Ausnahmeevent des Wave-Gotik-Treffens und wer sie verpasst hat, wird nie diese innere Zufriedenheit derer verstehen, die sich nunmehr an dieses Ereignis zurückerinnern können.

 
Montag: Feiern bis zur letzten Minute
 

Der WGT-Montag war mal wieder geprägt von zahlreichen Locationwechseln. Man will ja am Schluss auch immer alles Gute mitnehmen, bevor es zurück in den tristen Alltag geht. Kurze Routenbeschreibung gefällig? Agra - Parkbühne - Werk II - Parkbühne - Kohlrabizirkus - Moritzbastei - Agra. Sollte reichen, oder?
Konzerttechnisch begann unser Tag mit Üebermutter. Ich glaube, Lucy van Ork kann die Textzeile „Weil ich ein Mädchen bin…“ schon seit Jahren nicht mehr hören und hat ja auch schon in der Vergangenheit, unter anderem mit ihrem Projekt Das Haus von Lucy, gezeigt, dass wesentlich mehr in ihr steckt. Mit Üebermutter schlägt sie nun erneut neue Pfade ein und schickt sich an, die Neue Deutsche Härte auch mit Frontfrau salonfähig zu machen. Musikalisch kann man eine Orientierung an Rammstein wohl kaum verneinen, textlich markiert man allerdings eher die ironische, männerfressende Amazone. Gar nicht mal schlecht, zumindest von CD. Was allerdings die Bühnenshow betrifft… da erreicht man schon fast das Klischeeniveau von Blutengel, nur eben in Fundamental-Emanzen-Manier. Das Züchtigen von glatzköpfigen Gitarristen mit Dornenkrone ist doch nicht jedermanns/-fraus Sache. Ehrlich gesagt hätte ich mir von Lucy mehr erwartet, nach so vielen Jahren Bühnenerfahrung. Man muss der Band allerdings eines zu Gute halten: dem Publikum hat’s anscheinend gefallen.
Danach ging es wieder einmal ab ins Werk II zum offiziellen „Tag des Horrorpunk“. Und spätestens seit ihrem Song „King Of The Cannibals“ warteten wir darauf, die Bloodsucking Zombies From Outer Space live zu sehen. Leider war dies der einzige bekannte Song, den die Österreicher nicht spielten. Das Konzert war allerdings eines der Besten des ganzen WGT. Ich frage mich immer noch, wie Dead „Richy“ Gain an seinen Stand-up Drums fünf oder sechs Lieder am Stück ohne Pause trommeln und singen kann. Selbst Bela B. hätte beim Zuschauen seine Freude gehabt. Mit ihrer Mischung aus Horrorpunk und Psychobilly brachten B.Z.F.O.S. das Werk II jedenfalls schon beim Eröffnungskonzert des Tages zum Kochen.
The Spook, die anschließend die Bühne betraten, standen ihren Vorgängern allerdings in nichts nach und lieferten ebenfalls ein grandiose Show. Das Publikum nahm dankend an und ging von Beginn an voll mit. Sänger Dean Rocca war allerdings wohl nicht nur einer der aktivsten Frontmänner des WGT, er war wahrscheinlich auch der publikumsnaheste. Solltet ihr also demnächst bei einem The Spook Konzert den Sänger auf der Bühne vermissen, ist er wahrscheinlich wieder einmal im Publikum unterwegs. Und mit Lester Vail aka Elvis am Bass haben The Spook gleich noch einen Publikumsmagnet auf der Bühne - sein Metier scheint, neben dem Bass, eindeutig Gesichtsgymnastik zu sein. Auf jeden Fall kann man die Band jedem ans Herz legen, der auch nur im entferntesten einen Hang zu Horror, Punk und guter Live-Musik hat.
Weiter ging’s zur Parkbühne und dort erwartete uns als erstes Jacquy Bitch. Die nicht allzu groß geratene Kultfigur der französischen Electro-Batcave-Szene war uns vor dem WGT nicht wirklich ein Begriff. Nach dem Studium seines MySpace-Accounts allerdings mussten wir uns die Ikone live anschauen. Und wir wurden - einmal mehr - nicht enttäuscht. Nicht nur die Ansagen des Bassers während des Soundchecks, auch der Auftritt des französischen „Altmeisters“ selbst zeigten wieder einmal das Goth und Spaß durchaus zusammenpassen. Selbst Technikprobleme en masse konnten Jacquys Stimmung nicht trüben. Bier aus kleinen Flaschen tat sein Übriges dazu. Trotz des, wie immer am WGT-Montag, etwas mageren Publikums, gab es Partystimmung pur. Die Mischung aus Deathrock, Elektronik und Wave-Elementen kam verdammt gut an.
Der Headliner der Parkbühne war an diesem Abend Christian Death in der Valor-Version. Die Amerikaner lieferten 2007 mit „American Inquisition“ ein durchaus gutes und sowohl musikalisch als auch textlich hochwertiges Album ab - das Erste seit vielen Jahren - und so konnte man sich auf die Live-Präsentation der Stücke nur freuen. Zu Beginn wurde die Bühne kurz mit Spinnenweben und roten Blumen (die Floristen mögen mir verzeihen) dekoriert und das Intro begann mit dem Auftritt eines Trommlers zu Videoausschnitten von George W. Bush. Das Set war größtenteils geprägt von Stücken der aktuellen CD. Titel wie „Stop Bleeding On Me“, „Dexter Said No To Methadone“, „Narcissus Metamorphosis“ und vor allem „Seduction Thy Destruction“ gehen sofort ins Ohr und heizten auch hier das Publikum an. Selten gab es eine so gute Verschmelzung aktueller Sounds mit klassischem Deathrock. Valors Stimme konnte durchgängig überzeugen und wurde nur durch den Gesang von Maitri noch übertroffen. Deren Stimme gefiel sogar unserer Taxifahrerin nach dem Konzert. ;-) Negatives gab es allerdings auch während des Konzerts. Die Tontechniker schienen sich nicht im Geringsten Gedanken über ihren Job zu machen. Während Valors Geige streikte und dieser wild gestikulierte, aß man lieber erst einmal ein Butterbrot und unterhielt sich mit dem Banknachbarn. Auf die ebenfalls weniger schönen Vorfälle zwischen Teilen des „Publikums“ und der Band, werde ich hier nicht eingehen. Tätliche Angriffe gehören nicht auf eine Bühne, welchen Grund auch immer sie haben mögen! Auch die zugehörigen Fotos werdet ihr nicht in unserer Galerie finden, denn wir sind der Meinung, dass ein solches Verhalten nicht noch Unterstützung durch zusätzliche Berichterstattung bekommen sollte.
Tja, mit besagtem Maitri-Fan ging’s dann ab zum Kohlrabizirkus und unserem Abschlusskonzert des WGT 2008. Die Krupps sind live eh’ einer meiner Lieblinge und so kann ein Bericht auch nicht wirklich schlecht ausfallen. Die Genregründer des Crossover lieferten wieder viele bekannte Perlen aus ihrer Geschichte. Alle kann man nach über 25 Jahren Bandgeschichte wohl nicht mehr an einem Tag erwarten. Sowohl die Electro-Years als auch die Metal-Years wurden ordentlich bedient und somit war wohl auch für jeden etwas dabei. Kein Wunder also, dass das Publikum tobte. Was mir immer noch ein Rätsel ist: Wie kann man nach so vielen Jahren und Gigs noch so viel Power auf einem Konzert rüberbringen? Die „Jungs“ sind echt der Hammer und heute noch fit wie ein Turnschuh.
Zur Abschlussparty wollten wir uns eigentlich, wie jedes Jahr, den Oberkeller der Moritzbastei geben. Als DJs standen wieder Frank D’Angelo (Dark Dimensions) und Marc Urban auf dem Programm und in den letzten Jahren war dies auch das ideale Gespann. Dieses Jahr wurde die gute Musik allerdings durch schlechte Umstände unterwandert und so blieb uns nur, unseren Abschied AUF der Moritzbastei zu feiern. Die Musik im Oberkeller war einfach so leise, dass das Dröhnen des „Industrial-Noise“-Gehämmers aus dem Untergeschoss sogar lauter war und die Verwendung von Licht sparte man sich in den Sitzecken gleich gänzlich. Ach, wie dankbar wären wir an diesem Abend für eine WWWY-Abschiedsparty im Parkschlösschen gewesen! Naja, vielleicht klappt das ja im nächsten Jahr.
Bleibt nur zu sagen: Es war wieder einmalig in Leipzig und nächstes Jahr wird alles noch besser!

Zum Schluss noch ein paar kurze Con’s und Pro’s zusammengefasst:

Negatives:
- noch nie habe ich ein technisch so desaströses WGT erlebt (und das war mein zwölftes!)
- das Rauchverbot war teilweise schon ziemlich nervig und auch nicht gerade förderlich, vor allem für die Parties (aber wir haben’s mit viel Murren überlebt)
- dafür andere unangenehme Gerüche, vor allem in den großen Locations (Schweiß, Pups, Urin etc.)
- extreme Preissteigerungen auf der Parkbühne (Wie kommen die auf die Idee, ihren Pfand einfach auf die Preise umzulegen?! DAS kann man wirklich mal Abzocke nennen!)
- keine oder kaum überdachte Möglichkeiten zum Rauchen - Danke an den Wettergott, dass er es gut mit uns gemeint hat
- kein Schwarzbier im Erdgeschoss des Parkschlösschens *gg*

Positives:
- Fields Of The Nephilim haben alles in den Schatten gestellt
- Noctulus war wieder da
- überwiegend freundliche Security dieses Jahr, bis auf einige Ausnahmen
- kaum Warteschlangen vor den Locations
- wieder sehr friedlich, zumindest was die Besucher betraf
- gutes LineUp und viele überzeugende Konzerte
- sehr gute Organisation, abgesehen von der Bühnentechnik
- und: nach wie vor gibt es auf keinem anderen "Festival" ein so gutes Preis-Leistungs-Verhältnis!

 
Zu den WGT-Fotos...
 

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