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Sinner's Day Festival 2011 - 30.10.2011 - "Ethias-Arena", Hasselt [BE]
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Geschrieben von preacher_man   
Dienstag, 8. November 2011
Sinner's Day 2011... This Ain't No Disco!
 

Auch in diesem Jahr schafften wir es wieder, wenigstens zu einem Festival außerhalb der deutschen Landesgrenzen anwesend zu sein und eines sei gleich vorweggenommen: bereut haben wir auch diesmal keine Minute!

Das
Sinner's Day Festival im belgischen Hasselt fand in diesem Jahr zum dritten Mal statt und ist mittlerweile DER Anlaufpunkt für New Wave und 80s Fans aus ganz Europa. Dabei scheint man besonderen Wert auf Abwechslungsreichtum, sowohl vom Bekanntheitsgrad der Bands als auch von den Musikstilen, zu legen. Neben Undergroundperlen wie Gene Loves Jezebel und Künstlern, die seit Jahrzehnten die internationale Musikszene mitprägen, z.B. Patti Smith, findet man Szeneurgesteine à la The Mission oder auch Front 242 und ebenso eher "spezielle" Künstler wie Diamanda Galás, Karl Bartos oder auch die Punk-Legende The Exploited.

Aber von vorn: Die limburgische Provinzhauptstadt Hasselt liegt nur ca. 70 km westlich von Aachen. Bei der kurzen Fahrt durch den niederländischen Südzipfel um Maastricht fanden wir noch nicht einmal einen Rastplatz, um uns auf holländischem Boden die Füße zu vertreten.
Einen Tag früher anzureisen erwies sich aufgrund des enorm langen Festivaltages am Sonntag als überaus nützlich, konnten wir so am Samstag doch gepflegt in der Innenstadt essen gehen und gemütlich in unserem Hotel einchecken. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass Hasselt ein überaus angenehmes innerstädtisches Ambiente - mit jeder Menge Pubs, Restaurants, Galerien und Ausstellungen und allerlei kleinen (Designer-)Lädchen - bietet, vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld dabei. Die Bierpreise wären mit deutschen Innenstädten vergleichbar, würde man dafür nicht nur 0,25 bzw. 0,33 Liter des überaus leckeren belgischen Bieres bekommen!
Der Ort des Festivalgeschehens war auch in diesem Jahr wieder die "Ethias-Arena" bzw. die "Grenslandhallen" (
Location-Website) und diese waren mit ca. 8000 Gästen angenehm gut gefüllt - aber nicht überfüllt. Sehr schön war in diesem Zusammenhang auch das Vorhandensein von 3000 Sitzplätzen auf der Tribüne und im Bereich des Verpflegungsareals. Insgesamt sei hier schon hervorgehoben, dass die Organisation des Festivals erstklassig war, was sich in vielen kleinen, durchdachten Details äußerte. Beispielsweise führte die Idee Food- and Drinkbons zu verkaufen, welche an den Bars und Imbissbuden eingelöst werden konnten, zu erheblich schnellerer Bedienung an den selbigen.

Schon bei der Öffnung der Tore kurz nach 12 Uhr war klar, dass sich das Sinner's Day wohl eher nicht als Jugendfestival begreifen dürfte, sondern der Altersdurchschnitt eher um die 35-40 liegt. Eigentlich kein Wunder bei diesem LineUp, aber schön, wenn man mit seinen 30+ *g* mal nicht zu den Älteren gehört. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass man die freundliche Security nur am Rande wahrnahm, da sie eigentlich nur zur Bändchenkontrolle gebraucht wurde.

 

Los ging es dann pünktlich um 13.00 Uhr mit dem britischen Duo Blancmange, die sich als gelungener Opener entpuppten. Neil Arthur und Stephen Luscombe schienen sich sichtlich wohl zu fühlen und eröffneten mit poppigem Synthiesound das 80s-Revival. Ein bisschen Erasure gepaart mit einem leicht afrikanischen Einschlag bei den Percussions verbreitete in der circa halb gefüllten Halle eine entspannte Atmosphäre zum Mitwippen - belohnt mit ordentlich Applaus.
Durch die beiden direkt nebeneinander angeordneten Bühnen gab es zwischen den einzelnen Acts in der Regel keine größeren Umbaupausen und so ging es auch direkt mit
Gene Loves Jezebel weiter. Hierbei handelte es sich um den britischen Gene Loves Jezebel Zweig um Jay Ashton, sein Zwillingsbruder Michael führt den amerikanischen Zweig der Band fort – irgendwie tricky. Die Briten machten eine überaus gute Figur, vor allem Fronter Jay, der fast jede Textzeile mit Gestik und Mimik untermalte. Dabei klangen Gene Loves Jezebel kaum so sperrig wie in frühen Zeiten, sondern wesentlich runder und melodiöser, fast romantisch, analog zu den neueren Studioaufnahmen. Ohne Jays recht eigene Stimme kam man manchmal fast auf die Idee, die Dire Straits hätten jetzt einen Postpunk-Bass in der Band. ;) Geboten wurde eine angenehm auffordernde Show, die das Publikum mitzog und die Band zu einem unserer Lieblinge an diesem Tag machte.

Danach kam die ursprünglich geplante Running-Order etwas durcheinander, da
Ultravox-Gründungsmitglied John Foxx auf Grund einer Verletzung nicht auftreten konnte. So wurden KMFDM kurzerhand vorgezogen. Prügelhart wie immer zogen Sascha Konietzko und Lucia Cifarelli mit einem großen "Hau-Ruck" gekonnt vom Leder. Spielfreude wollte diesmal aber augenscheinlich nicht so richtig aufkommen und auch das Publikum schien noch nicht in Pogo-Stimmung zu sein. "Too early, too short" trifft es wohl am ehesten und so kann man von einem guten, aber hinter den Erwartungen zurückbleibendem American-Industrial-Konzert sprechen, dem nicht die Hits oder die Power, wohl aber die richtigen Umgebungsparameter fehlten.

Alan Wilder (Ex-
Depeche Mode) schlug mit seinem Projekt Recoil dann wieder in eine ganz andere Kerbe. Die Verbindung zwischen elektronischer Musik vom Rechner und darauf abgestimmten, ausgefeilten Videoprojektionen gab dem Publikum Zeit für eine Verschnaufpause. Mitdenken und zuhören statt rocken war die Devise – und wir nutzten die Zeit, um uns den Rest der Festivalhallen etwas genauer anzuschauen. Rund um die Tribüne mit Sitzplätzen gab es jede Menge Merchandise-und Klamottenstände, um sein Geld anzulegen. Gleich neben der Konzerthalle befand sich die Elektropedia-DJ-Stage, welche schon zu diesem Zeitpunkt (15.30 Uhr) die ersten Gäste auf der Tanzfläche begrüßen durfte und den ganzen Tag ein abwechslungsreiches Programm zwischen Postpunk, New Wave und All-Time-Favourites bot. Spätestens ab dem frühen Abend war hier kaum noch ein Durchkommen möglich. Außerhalb der Halle war ein Raucherbereich mit Bar eingerichtet, der etwas zu klein ausfiel und so kurzerhand in die Gänge ausgeweitet wurde. Auch dies funktionierte im Gegensatz zum deutschen Bürokratismus wieder völlig unkompliziert.

Zurück in der Bühnenhalle, starteten gerade
The Exploited ihre Attacke, auf die scheinbar sehr viele der Gäste gewartet hatten. Die britische Legende der zweiten Punk-Generation um Wattie Buchan am Mikro machte keinen Hehl daraus, dass es bei ihren Konzerten ordentlich was auf die Fresse gibt und so gab's in den ersten Reihen von Beginn an Pogo pur, während sich Wattie auf der Bühne den letzten Saft aus dem Körper rotzte und Irish Rob's Rastas keine Minute senkrecht nach unten hingen. Musikalisch sind The Exploited für unsereins nicht gerade der Hit, vielleicht einfach zu Hardcore für den Gothrocker, aber: Die Halle war voll, das Publikum zufrieden, was will man mehr?

 

Das änderte sich schlagartig als Visage ihren Auftritt begannen. Nach Steve Strange's verko(r)kstem Auftritt vor einigen Jahren in Leipzig, war dieser hier weit davon entfernt besser zu sein. "Kann er nicht endlich zu Hause bleiben?" ...ein Gedanke, mit dem wir augenscheinlich nicht allein waren. Der Rest der Band lieferte gar kein so schlechtes Konzert, abgesehen von einem etwas matschig abgemischten Bass, was allerdings ein häufiges Problem an diesem Tag war. Wenigstens vermochte es Steve Strange's weibliches Vocal-Pendant etwas vom desaströs-peinlichen Auftritt der frühachtziger Kultikone abzulenken. Selbst "Fade To Grey" konnte die Stimmung des Publikums nicht wirklich heben. Danke Steve, das reicht nun für mein restliches Leben!

Entschädigt wurde man gleich im Anschluss:
The Mission auf 25-Jahre-Tour waren schon fast eine Offenbarung! Genau so muss es sein: Ein ausgeruhter, überaus gut gelaunter Wayne Hussey begrüßt das Publikum und spätestens als "Like A Hurricane" erklang, konnte eigentlich schon nichts mehr schief gehen. Jede Menge Hits aus der Bandgeschichte von "Wasteland" bis "Butterfly On A Wheel", spielfreudige Musiker, bombastische Stimmung in einer vollen Halle und dann auch noch eine Crew, die mitdachte und sofort zur Stelle war, wenn's irgendwo klemmte. Da kann man als Sänger dann auch schnell mal in den Pressegraben ans Absperrgitter und sich ordentlich vom Publikum feiern lassen. Perfekt!

Die griechisch-stämmige Avantgarde-Diva
Diamanda Galás, die auch für ihren jahrelangen Einsatz für Menschenrechte bekannt ist, war für einige der Gäste dann das Highlight des Abends und schaffte es trotzdem den Saal recht schnell zu räumen. Das angenehme Klavierspiel wurde mit dem Einsatz ihrer Stimme in den Hintergrund gerückt – selbst Plastikbecher drohten zu zerspringen. Ihr ausdrucksstarker Gesang ist auch in Opernkreisen bekannt. So verwundert es nicht, dass man ein gewisses Faible für Ebenjenen braucht, um ihre Performance genießen zu können und der Füllstand der Halle schrumpfte auf etwa ein Drittel. Alles in allem sehr speziell, aber eindrucksvoll!

 

Ebenso schnell, wie sich der Saal geleert hatte, füllte er sich auch wieder als mit Patti Smith & Band der Höhepunkt des Abends anstand. Die Halle geknackt voll, selbst die Tribüne bis auf den letzten Platz besetzt, feierte das Publikum schon bevor Patti die Bühne betrat. Und wie es sich für die Godmother of Punk gehört, wurden erstmal die Fotografen im Graben angewiesen, die Mitte freizulassen, um nicht ungewollt ge(mund)duscht zu werden. ;) Seit fast 40 Jahren steht sie nun auf der Bühne und wird kein bisschen müde, dem Publikum ihre Sicht der Welt näher zu bringen: Freiheit und Gleichheit, Liebe, Frieden und Menschenrechte - "Fuck The Governments" - ungebrochen bahnt sich ihr freier Geist seinen Weg in die Köpfe ihrer Zuhörer. So war es auch diesmal - und das Publikum nahm den Auftritt dankend an. Hits wie "Rock'n'Roll Nigger" und "Because The Night" wurden lauthals mitgesungen und die Band und Patti selbst schienen jede Menge Spaß zu haben. Ob beim Dirigieren des Publikums oder beim Rocken auf dem Boden mit Lenny Kaye, bei Patti gibt es nichts, was Star-Allüren vermuten lassen würde. Einzig ihre Falten verraten ihr Alter, doch von diesen scheint jede einzelne hart erarbeitet zu sein. Hinzu kam, der bei Patti Smith definitiv am saubersten abgemischte Sound an diesem Abend. Der Atmosphäre dieses Konzertes konnte sich keiner der Anwesenden entziehen.

Mit dem Ex-
Kraftwerk-Mitglied Karl Bartos ging es jetzt wieder minimalistischer und elektronischer zur Sache und auch wenn einem durchaus klar war, dass alte Kraftwerk-Hits wie "Das Model" sicher auf der Setlist stehen, gönnten wir uns doch lieber noch eine größere Pause im Chillout-Bereich. Kurz mal an der Elektropedia-Stage vorbeigeschaut - Tanzfläche immer noch voll - und ab zum Rauchen. Mittlerweile waren die Timeslots der Bands auf über eine Stunde angewachsen, so dass auch noch Zeit blieb, sich den guten belgischen Fries und der Merchandise-Ecke zu widmen. Dort war alles wie gehabt, nur "The Mission"-T-Shirts scheinen einer ungeheuren Inflation zu unterliegen - 22 Euro für ein einseitig bedrucktes Shirt... muss das sein? Und noch ein kleines Manko muss erwähnt werden: Schon am Nachmittag zeichnete sich ab, dass es in der Konzerthalle selbst ein kleines Müllproblem geben würde. Nun gegen Abend schien kein Fleck auf dem Boden mehr von Plastikbechern befreit zu sein. Man lief quasi wie auf einer Luftmatratze – einfach nervig. Da wäre ein Pfandsystem doch schön gewesen.

Zurück vor der Bühne warteten wir auf
The Cult. Im Pressegraben erschlugen sich die Fotografen beinahe und die Band um Ian Astbury legte gleich alles andere als handzahm los. Das war auch nicht anders zu erwarten, wurden sie doch über die Jahre immer rockig-metallischer und suchten sich nach und nach vom Düsterimage zu entfernen. Das tat den Songs - auch den Klassikern - keinen Abbruch. Gitarrenguru Billy Duffy (der Bruder von Dieter Bohlen? *g* ...siehe Festivalfotos) zeigte sein ganzes Können, ebenso rockten Mike Dimkich, Chris Wyse und John Tempesta wirklich vom Feinsten. Als dann mit "Spiritwalker" allerdings der erste wahre Klassiker kam – What the fuck? Das Einzige, was noch kurzatmiger zu sein scheint als Mr. Astbury, sind überzüchtete englische Bulldoggen. Dass er nicht mehr ganz so fit aussieht, wie vor 30 Jahren, sei verziehen - wer tut das schon - aber durch schlechten Gesang einzigartige Melodien wie die von "Edie (Ciao Baby)" zu versauen, darüber kann man nicht einfach hinweghören. Einen Song live zu interpretieren ist eine Sache, es nicht mehr besser können eine andere. Das konnte auch die großartige Band nicht ausgleichen. Nachdem es bei "She Sells Sanctuary" nicht besser wurde, begaben wir uns lieber auf die Suche nach einem Sauerstoffgerät...

Zurück kamen wir gerade pünktlich zu den Lokalmatadoren von
Front 242. Zu Konzertbeginn flimmerten die Artikel der Menschenrechtscharta über die Bildschirme - ein Thema, das einem den ganzen Tag über immer wieder begegnete. Mittlerweile war zumindest auf den Rängen etwas Platz geworden, aber vielleicht drängte sich das Publikum auch nur mehr zusammen vor der Bühne. Jede Menge Licht und Videoshow, wie man es von Front 242 gewohnt ist gab es auch diesmal und energiegeladenes Stompen erfüllte nicht nur die ersten Reihen, als Jean-Luc De Meyer und seine Kampfgenossen loslegten. Den einen oder anderen Klassiker mehr in Originalform hätte man sich wünschen können, sonst war es ein großartiges Heimspiel der U-Men - frenetischer Applaus!

Mittlerweile war man mit ca. 2.00 Uhr doch etwas über den ursprünglichen Zeitplan hinausgeschossen und dies trotz des Ausfalls von
John Foxx. Über 13 Stunden Live-Konzerte hinterließen ihre Spuren - zumindest bei uns. Vor der Elektropedia-DJ-Stage war die Tanzfläche noch immer rammelvoll, aber für uns führte der Weg nur noch zurück ins Hotel.
Noch einen Tag Ausspannen im schönen Hasselt, dann ab nach Hause.
Das
Sinner's Day Festival 2011 in Hasselt war fantastisch, wenn auch musikalisch etwas durchwachsen. Die Erinnerung an eine hervorragende Organisation, ein angenehmes Publikum, mit dem es quasi nie Verständigungsschwierigkeiten gab, einige wirkliche Top-Acts auf der Bühne und einfach viele kleine Wohlfühldetails lassen uns gespannt auf das LineUp für 2012 warten.

Zu den Festivalfotos...

 
Sinner's Day Festival 2011 @ LabelLos.de
Sinner's Day Festival Website
 

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