80ies goes Vogtland |
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Da gab es eine britische Band in den 80ern, die in ihrem Jahrzehnt eigentlich gar nicht so bekannt war und deshalb auch den Sprung auf deutsche Bühnen während ihrer ersten Existenzzeit einfach nicht schaffte. B-Movie nannte sich die Band, die ursprünglich von 1979 bis 1985 bestand, und, nachdem man in den späten 80ern und in den 90ern auf fast jedem Discofloor der New Wave und Goth relevanten Szeneclubs zu ihren Titeln "Nowhere Girl" und "Remembrance Day" tanzte, tickerte im späten Frühjahr 2010 die Nachricht eines exklusiven Deutschlandauftritts in der Alten Kaffeerösterei Plauen durchs Internet und die einschlägigen Clubs. Rund um die britische New Wave Band wurde ein kleines aber feines Festival aufgebaut, dass durchaus überzeugen konnte. Neben SeX should be FeMale und der serbischen Band Sixth June sollte mit No More noch ein weiterer Act auf der Bühne stehen, der sich auf einen einschlägigen Tanzflächenfüller berufen kann. Ihr "Suicide Commando" dürfte in den letzten Jahrzehnten fast noch öfter gespielt worden sein, als "Nowhere Girl" und so versprach der Abend voll im Retrotrend zu liegen und selbst die schon in Rente gegangenen Alt-New-Waver aus ihren Kellern und Gruften zu holen.
Mit 18 Euro im VVK und 22 Euro an der Abendkasse bewegten sich die Kartenpreise in einem guten Rahmen für das Gebotene und so ein Festival will ja auch finanziert werden. Dabei sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass Events in dieser Größenordnung von ganz viel Herzblut und Liebe zur Musik getragen werden und sich niemand eine goldene Nase verdienen kann. Viele kleine Veranstalter sind schon froh, wenn sie halbwegs ihre Kosten decken und nicht zuviel Minus machen, ganz im Gegensatz zu Festivals, die 80 Euro Eintritt kosten und 20.000 Leute anziehen.
Aber gerade dieser familiäre Rahmen machte auch diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis. Bereits bei unserem Eintreffen gegen 19.20 Uhr hatten sich die ersten bekannten Gesichter von Südthüringen bis Dresden versammelt und im Laufe des Abends sollten noch Gäste aus ganz Deutschland und darüber hinaus dazukommen.
Die Alte Kaffeerösterei zu erreichen, ist für Auswärtige ohne moderne Navigationsmittel gar nicht so einfach. Doch ist man erstmal vor Ort, macht die Location die Querelen der Wegfindung wieder wett. Ein altes Backsteinfabrikgebäude, der gepflasterte Innenhof mit Grill, zwei Floors - davon ein Raucherfloor, eine gute Lichtanlage und - mit einer maximalen Besucherzahl von 500 Personen - eine angenehme Größe und ausreichend Sitzgelegenheiten (oftmals eine Seltenheit) machen diesen Veranstaltungsort zum Ideal für nicht ganz so kleine Konzerte. Auch die Bier- und sonstigen Getränkepreise bewegten sich im Rahmen und so kann man nur hoffen, dass dies nicht der letzte Event dieser Art an dieser Stelle war. Lediglich die Anlage auf dem zweiten Floor lieferte den ganzen Abend nur mäßigen Sound. Was genau der Grund dafür war, bleibt im Dunkeln.
Mit etwas Verspätung - ursprünglich sollten die Konzerte um 20.00 Uhr beginnen - legten SeX should be FeMale als Opener los. Gut 200 Gäste dürften es gewesen sein, die die Kafferösterei nun bevölkerten, und schon beim ersten Titel wurde klar, woher SeX should be FeMale ihre Inspiration beziehen und dass die Jungs alles andere als zurückhaltend und schüchtern sind. Kurzeitvergleiche zum 77er Punk á la Buzzcocks, Chelsea oder The Clash waren der erste Blitzgedanke, später füllte sich das Repertoire aber auch mit den bevorzugten Spielarten des 80er Goth, ohne dabei zu sehr bei irgendwem abzuschauen. Ein bisschen Gothrockeinflüsse hier, ein bisschen Guitarwave dort, garniert mit einer Ecke Depripunk, spielten sie ein abwechslungsreiches Set - tanzbar, energetisch und vor allem unkompliziert. Publikumsnah überzeugten SeX should be FeMale als Anheizer des Abends. Vor allem durch die gemeinsamen Shouts der Bandmitglieder und die unentwegt eingestreuten Kommentare von Sänger Siggi wäre auch eine volle Konzertlänge nicht zuviel und schon gar nicht langweilig gewesen.
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Mit Sixth June ging es nach der Umbaupause dann etwas ruhiger zur Sache. Das Belgrader Duo nennt seine Musik selbst Electro Dark Pop und trifft es damit ziemlich genau. Melancholische Keyboardflächen und die über jeden Zweifel erhabene Stimme von Sängerin Lidija Andonov erinnern etwas an Kirlian Cameras "Eclipse" ohne negativen Beigeschmack. Eingängige Beats, wie man sie beispielsweise von The Mao Tse Tung Experience kennt, machen die Stücke tanzbar und mit den passenden Videos von Keyboarder Laslo Antal, der hauptberuflich eher im Bereich Grafikdesign und als Kurzfilmregisseur tätig ist, versuchen Sixth June bei ihren Liveauftritten eine Art Gesamtkunstwerk zu schaffen, das auch so gesehen werden soll. Das geht allerdings zu Lasten der Lichtshow, die fast gänzlich ausblieb, was die Fotografen in den Wahnsinn trieb. Musikalisch sind die Stücke der Band durchaus sehr angenehm, allerdings über die Dauer eines Konzertes etwas gleichförmig. Dieser Eindruck wird durch die - gewollt - sehr spartanischen Bewegungen auf der Bühne leider noch verstärkt. Sixth June ist also eher etwas zum Zuhören als zum Abrocken.
Mit No More kam dann die erste wirklich bekannte Band auf die Bühne. Wie schon erwähnt, wird das Kieler Duo Tina Sanudakura and Andy Schwarz oft an seinem Clubhit "Suicide Commando" gemessen, doch ist dies eindeutig zu kurz gefasst. Live klingen No More bei Weitem weniger minimalistisch. Die Gitarre von Sänger Andy Schwarz steht wesentlich mehr im Vordergrund, was aber nicht heißen soll, dass der elektronische Anteil zu kurz kam. Dafür hat sich Keyboarderin Tina auch Einiges einfallen lassen, wie dieses interessante, runde Tonerzeugungsgerät, das man wohl am ehesten als "Hamsterradsound- und Lichtorgel" bezeichnen könnte. So mischen sich tanzbare, moderne Beats und teils spacig anmutende Keyboardflächen mit kurzen Gitarrenriffs, und obwohl das Tempo überwiegend niedrig gehalten wird, ziehen einen die Intensität der Songs und die eindringlichen Vocals auf die Tanzfläche. Fand ich persönlich das letzte Album "Midnight People & Lo-Life Stars" etwas zu flach, kann ich dies vom Live-Sound der Band an keiner Stelle behaupten.
Ganz im Gegenteil, präsentieren sie die Songs auf der Bühne wesentlich intensiver, was nicht zuletzt auch an der Ausstrahlung von Sänger Andy liegen dürfte, der mich stellenweise etwas an Nick Cave erinnert. Feines Konzert! Ist endlich mal Zeit geworden, das Duo live zu sehen.
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Dann kam der Headliner. Mit Bands, die es zwar seit langem gibt, aber auch schon seit mittlerweile Jahrzehnten nicht wirklich regelmäßig auf der Bühne standen, ist das ja immer so eine Sache. Wird’s ein grandioser Erfolg oder die totale Pleite? Bei B-Movie hat sich die Anfahrt auf alle Fälle gelohnt. Mit dem ersten Song begann eine Zeitreise, die nicht einfach retro, sondern original 80er war. Einfach mal eine Konzertlänge eine völlig andere Zeit erleben, in der Musik noch von Texten und Melodien lebte und den Besucher nicht mit hohlen Phrasen und Geknüppel zum Ohrenarzt bringen wollte. Die Briten überraschten in Vier-Mann-Rockbesetzung - alles Originalmitglieder versteht sich - und so kam auch hier der Live-Gitarrenbonus zur Geltung, den man, kennt man nur ihre Hits, bei B-Movie gar nicht so stark vermutet hätte. Zugegeben, äußerlich sind Steve Hovington, Paul Statham und Co. etwas in die Jahre gekommen, an Ausstrahlung haben dabei aber weder die Bandmitglieder noch die Musik verloren. Wavige Gitarren, eingängige Melodien, angenehmer Gesang - eigentlich stand wohl kein Titel auf der Setlist, der nicht nach TANZEN! schrie. Neben den Hits und einem Querschnitt durch ihre 80er Phase, konnten selbst neue Titel vollends überzeugen. B-Movie haben sich mit ihrem runden Auftritt auf jeden Fall auf unsere "Will ich noch mal sehen"-Liste katapultiert und wir können sie jedem, der auf den wavigen Sound der 80er steht, nur wärmstens empfehlen!
Zur Aftershow schickten sich die DJs Schlö (Katakombe/Jena) und Ian P. Christ (Remembrance Daze/Berlin) auf dem Mainfloor an, die Gäste des Abends auch nach den Konzerten mit Klängen von New Wave bis Postpunk in den 80ern zu halten, während es bei DJ evilutuion auf dem 2nd Floor wesentlich minimalistischer zuging. Gut die Hälfte der Besucher war zu dieser Zeit noch in der Alten Kaffeerösterei verblieben und so auch die Tanzfläche die meiste Zeit gut gefüllt.
Fazit:
Beim "Remembrance Day Festival 2010“ in der Alten Kaffeerösterei Plauen hat fast alles gepasst. Gute Bands, schicke Location, angenehmes Flair - einzig die Besucherzahl hätte etwas höher liegen können, was wahrscheinlich auch der Stimmung an mancher Stelle noch zu Gute gekommen wäre. Aber das liegt ja bekanntlich nicht in der Macht der Veranstalter und für den ersten Versuch gehen auch diese Besucherzahlen in Ordnung. Nächstes Jahr wird alles noch besser und so wurde vor kurzem bereits das "Remembrance Day Festival 2011" angekündigt. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Zu den Festivalfotos...
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Remembrance Day Festival 2010 @ LabelLos.de
Remembrance Day Festival @ myspace
B-Movie @ LabelLos.de
B-Movie @ myspace
No More @ LabelLos.de
No More @ myspace
Sixth June @ LabelLos.de
Sixth June @ myspace
SeX should be FeMale @ LabelLos.de
SeX should be FeMale @ myspace |
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