Das "Catonium" in Hamburg zählt zu den eher ungewöhnlichen Locations, handelt es sich doch dabei um ein Refugium für jene, die sich gern ihren Phantasien im Bereich des Fetisch und BDSM hingeben. Das neue Musikvideo zum Song "The Beast" von Otto Dix passt allerdings ideal in dies Ambiente. Bevor jedoch die russischen Gothic-Elektroniker die Bühne betraten, bot das Hamburger Projekt Oberer Totpunkt eine sehr rhythmisch und tanzbar angelegte Spoken Word/EBM Performance.
Die ausdrucksstarken Texte von Bettina Bormann wurden adäquat von David Nesselhauf am Kontrabass und Michael Krüger am Schlagzeug eskortiert und von einer phantasievollen, theaterhaften Darstellung aus pantomimenhaftem Tanz und bizarren Kostümierungen untermalt, dunkel, märchenhaft und morbid. Das passte sehr gut zu den nachfolgenden Russen. Denn auch Michael Draw liebt eben diese Art von Show und verspielter Selbstdarstellung in maskierenden Hüllen.
|
Otto Dix befand sich - wohl als die erste Gothic-Band aus Russland überhaupt - auf einer Solotournee durch verschiedene europäische Städte; in Deutschland durch Chemnitz, Leverkusen, Hamburg, München, Dresden und Berlin. Vom Westen gezogen zu werden, hatte ja schon vor Jahren begonnen, als sie sich vom äußersten Osten Russlands nach St. Petersburg begaben, und scheint sich fortzusetzen. Mutig, dies bei ihrem noch geringen Bekanntheitsgrad außerhalb ihres Landes solo zu versuchen. Dementsprechend war der Besucherstrom eher zurückhaltend. Wer nicht gekommen war, hatte allerdings eine hochrangig professionelle Performance verpasst.
Untermalt von Videoanimationen und Lasershow zelebrierte Draw seine außergewöhnliche Stimme, die bei so vielen auf Unverständnis stößt, aber in der russischen Szene Kultstatus genießt. Die elektronischen Klangbilder wurden von Marie Slip am Keyboard entworfen, in welche Peter Voronoff mit seiner Violine expressive, elektrisch-akustische Muster webte. Neben Liedern aus den früheren fünf Platten wurde auch einiges aus dem neuen Album "Wonderful Days" geboten - inklusive dem neu überarbeiteten Erscheinungsbild der Band. Die Show ist perfekt einstudiert, geschliffen wie ein Edelstein, unspontan wie eine Maschine, faszinierend wie ein Spiegel aus einer anderen Zone.
Man hält Otto Dix immer wieder vor, dass es ein Fehler wäre, anstatt auf Englisch eben auf Russisch zu singen. Aber gerade diese Sprache entspricht zusammen mit der Musik der "anderen", der östlichen Stimmung. Die Lyrik ist der Ausdruck, worin Draw sich artikuliert, und er denkt und empfindet nicht englisch, sondern russisch. Noch schwerer tun sich viele mit seiner operesken Countertenor-Stimme, hilflos die Hände ringend, in welche Schublade hier kategorisiert werden darf: männlich, weiblich, neutral, Kunst, Kitsch oder verboten.
So lebt Otto Dix in einer ganz eigenen Welt und hat einen kaum vergleichbaren Kosmos aus Tönen und Interpretation erschaffen, abseits von den bequemen Systemmustern. Zu romantisch, um zu schocken. Zu dekorativ, um avantgardistisch zu sein. Zu dunkel und bizarr, um in den Alltag aus Best Of-Hits integriert werden zu können.
Zu den Konzertfotos...
|