Familienfest in Schwarz |
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Osterwochenende 2012 - endlich Zeit für das erste zweitägige Festival in diesem Jahr. Hierzu hatten die Initiatoren der New Old Way Party und des Static Magazin Germany ins beschauliche Dornbirn in Österreich geladen. "Emergency Exit Festival" heißt ein Wochenende lang Gothrock, Postpunk, Wave pur mit sieben Bands und fünf DJs. Was, wann, wie und wo genau gab es ja schon in unserem Preview zu lesen, nun war es also soweit.
Das aufgrund des freien Ostermontags die Konzerte am Samstag und Sonntag stattfinden sollten, konnte allen mit einer weiten Anreise nur entgegenkommen. Und das waren Einige. Den Freitag widmeten wir somit der Anfahrt und dem Eingewöhnen in der neuen Umgebung. Wie geplant, schlugen wir gegen 18:00 ohne Stau-Probleme in Dornbirn auf, nahmen unsere Ferienwohnung in Beschlag und stärkten uns ganz untraditionell chinesisch. Und da war er wieder: der Raucherraum im Restaurant. Funktioniert doch!
Nach kurzer Ruhepause stand dann bereits das Pre-Festival-Treffen in der "7er Bar" an. Jede Menge Bands und Fans waren bereits eingetroffen und zusammen mit den "normalen" Gästen des Clubs war dieser zwar brechend voll, aber die Atmosphäre und der Umgang unter den Anwesenden sehr entspannt und angenehm. Ach ja, und die "7er Bar" scheint der einzige Ort in Dornbirn zu sein, an dem man ein angenehm kühles Schwarzbier bekommt... ;-P
Am Samstag stand einem entspannten Start in den ersten Festivaltag nichts im Wege, sollte doch der Einlass erst gegen 20.00 Uhr beginnen. Also Ausschlafen, Frühstücken, Einkaufen gehen und dann gepflegt in den "Vorarlberger Hof", der sich ja schon zu unserem Stammrestaurant entwickelt hat, zum traditionellen Schnitzelessen. Das hier die Kategorie "small" eigentlich mit "groß" und "medium" mit "mega" übersetzt werden müsste, lässt sich anhand der Beweisfotos klar nachvollziehen. Nach einem ausgiebigen Mahl, rollten wir wie erwartet gegen 19:30 zum Eventtempel namens "Kulturcafé Schlachthaus". Noch blieben die Pforten geschlossen, der Soundcheck lief und die Vorfreude stieg.
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Mit kurzer Verspätung legte dann der Opener Christine Plays Viola los. Die 2008 gegründete italienische Band mischt Postpunk, Wave-Gitarren und elektronische Akzente zu einem intensiven, treibenden Gemisch, welches durchaus nach vorne zieht, an diesem frühen Abend und in der Openerposition das Publikum aber erst langsam in Fahrt bringen musste. Der angenehm volle Sound der Band und die intensive Vocalarbeit von Sänger Massimo, welcher zwischen düster-ritualistischem Sprechpassagen, typischen Gothrockgesang und leidenden Höhenlagen pendelt und dessen Wirkung durch Hall/Echo noch einmal verstärkt wird, wirkten dabei unterstützend, während vor allem die von der Band zu Beginn getragenen weißen Masken vorerst eher verstörten. Als eines der Highlights der Band ist das Drumming von Daniele Palombizio anzusehen, der sich mit voller Hingabe und Leidenschaft die Seele aus dem Leib prügelte. Christine Plays Viola wurden von nicht wenigen der anwesenden Gäste als beste Band des Tages genannt, wobei ihre Musik sehr gegensätzliche Meinungen erzeugt. Für die einen wirken sie recht sperrig, für mich eigentlich sehr eingängig.
Mit Lotus Feed legten anschließend die einzigen deutschen Teilnehmer des Festivals los, welche mir von ihrer musikalischen Ausrichtung an diesem Tag am besten gefielen. Diese fällt bei weitem nicht so atmosphärisch aufgebauscht aus, sondern orientiert sich eher an der einfachen, etwas zurückhaltenden Welt zwischen Postpunk und Gothrock - auf das Wichtigste reduziert. Das hier nicht die große Bühnenshow geboten wurde, tat der Sache keinen Abbruch. Alexander Landsberg's Stimme scheint perfekt für's Genre, ebenso seine Präsenz auf der Bühne. Die klaren Rhythmusstrukturen von Bass und Schlagzeug werden durch Marten's Gitarrenarbeit erst zum Leben erweckt, mal rockiger, meist aber doch sehr melodieverträumt. Ständig zieht's im Bein - Bewegung heißt die Devise und Songs wie "King For Two Days" gehen einem tagelang nicht mehr aus dem Kopf. Trotz allem hatten auch Lotus Feed noch mit einer Art von Bewegungshemmung des Publikums zu kämpfen, die sich erst bei den nachfolgenden Rhombus vollständig erledigte.
Die Briten gelten als hervorragende Liveband, die es versteht, schnell die Party ins Rollen zu bringen. Und dies stellten sie auch hier als Samstags-Headliner unter Beweis. Bei Titeln wie "Lightning Strikes Twice", "Open The Sky" oder "Almost Everything" muss nun mal getanzt werden. Zu zuckersüß sind die Melodien, die flirrenden Gitarren und natürlich der zweistimmige Gesang von Mya und Edward Grassby. Ein Fest für alle, die leichte Gothrockkost mit hohem Unterhaltungswert mögen und so war denn auch im Schlachthaus der Saal am Feiern. Auch auf der Bühne gab es bei Rhombus die meiste Bewegung, nicht nur das Gesangsduo war bester Stimmung, die Gitarristen Ian Grimm und Rob Walker standen ihnen in nichts nach. Mit zusätzlicher Gastsängerin und Gastsänger hatten sich Rhombus auch noch etwas Spezielles für den Abend einfallen lassen und bei soviel Stimmung fiel auch die zeitweise Textunsicherheit des Gastsängers nicht ins Gewicht. Was allerdings ins Gewicht fiel, war der bei Rhombus viel zu leise Sound, der die Perfektion des Auftritts leider untergrub.
Konzert zu Ende, Aftershow beginnt - alter Hase trifft auf talentierten Nachwuchs, wenn man ihn denn noch so nennen kann. Gemeint sind hiermit die DJs Martin Oldgoth und Aleks Figurehead, die mit jeder Menge Klassikern und Newcomern aus der Branche die Tanzfläche von Beginn an gefüllt hielten und dies änderte sich auch nicht bis um ca. 5.00 Uhr die Pforten für diesen Tag geschlossen wurden.
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Der Sonntag begann dem Samstag gar nicht so unähnlich, sollte sich dann aber noch sehr "abwechslungsreich" gestalten. Vier Bands standen auf dem Programm und die versprachen viel Potential für den Abend. Neben den Newcomern Distorted Pictures, für welche es erst der zweite Liveauftritt überhaupt werden sollte, waren wir gespannt auf The Last Cry, von denen wir bisher nur Gutes über ihre Performance gehört hatten. Mit Pretentious, Moi? und Vendemmian sollte es auch noch ein Wiedersehen geben. Gleich zu Beginn fiel auf, dass die Stimmung unter den Gästen viel gelöster war als noch am Vortag. Man hatte sich wohl eingelebt und das solidarische Aufpusten der Banana-Cat-Familie tat ein Übriges um die doch sooo depressive Gemeinde zu einem Kreisgrinsen zu bewegen, noch bevor der Abend begonnen hatte.
Die Opener Distorted Pictures schienen schon sehnsüchtig erwartet zu werden, war der Konzertsaal doch bereits bei den ersten Takten des Konzertes überaus gut gefüllt. Die von den Gitarristen Rob Walker und Natasha Donald gegründete Band, benannte sich nach einer Textphrase aus "Up The Down Escalator" von den Chameleons, deren Songs sie eigentlich gerne covern wollten. Doch zuviel Kreativität führte zu einer Menge eigener Songs und mit Steve Drawbridge (Drums), Matt Thorpe (Bass) und Pete James (Vocals) stehen Distorted Pictures nun als originäre Gothrockband auf der Bühne und diese überraschte mit Einigem an Eigenständigkeit, welche über das Gerüst des typischen Gothrocksounds gestülpt wurde. Dass man sicher Einflüsse bei diversen Größen des Genres findet, sei nicht bestritten, aber sowohl instrumentell als auch gesanglich drückt man hier seinen eigenen Stempel auf. Vor allem zu Beginn erinnerten die Gitarren noch an die restpsychedelischen End-70er, bevor sie mehr und mehr die Gothrockfahrt der 80er aufnahmen. Pete James' Stimme zeugt von viel Talent und wenn er seine Nervosität und Zurückhaltung, die man beim zweiten Gig durchaus noch haben kann, ablegt, kann er als Frontmann noch mehr Applaus abgreifen, als dies hier schon der Fall war. Noch wirkt er ein bisschen wie der kleine, schüchterne Enkel von Marc Almond, dem man sagen möchte "Lass' es raus, Junge!" (und dabei ist er doch gar nicht mehr so jung...). Distorted Pictures lieferten einen beeindruckenden Einstand auf dem Festland und dies wurde vom Publikum ausgiebig bejubelt.
Getoppt wurde das durch die nachfolgenden The Last Cry. Eigentlich weiß man gar nicht, wie man das für Jemanden beschreiben soll, der es nicht gesehen hat. Andrew Birch ist ein Frontschwein allererster Güte. Selten sieht man einen Fronter auf der Bühne stehen, der so in seiner Musik aufgeht und sie so extrovertiert vorträgt. Ob schmerzverzerrt-leidend, wahnsinnig-gestört oder einfach nur aggressiv - der Mann schafft es, jedes Gefühl auf der Bühne authentisch zu verkörpern und so auch musikalisch ruhige Parts durch seine Präsenz nach vorne zu bringen. Zusammen mit Chris Careys Bass und Tim Greens Gitarre, gut abgemischt und diesmal auch in ordentlicher Lautstärke, kann man The Last Cry auf alle Fälle die beste Performance des Festivals zusprechen. Dies bestätigt wahrscheinlich auch der überwiegende Teil des Publikums.
Mit Pretentious, Moi? wurde dann alles anders. Die Band um Tim Chandler hatten wir bereits bei ihrem super Einstand auf dem Judgement Day 11 vor drei Jahren gesehen und so war klar, dass es hier eine Spur rockiger zugehen würde. Diesmal stand eine Gitarre weniger auf der Bühne, was aber nicht das Problem war. Anfangs dachte ich noch, meine Ohren müssten sich erst an die stilistischen Änderungen gewöhnen, aber nachdem der Soundmatsch auch bei Titel zwei und drei nicht besser wurde und nachdem nach ständigen Basteleien, Mikrofon-Tausch etc. selbst "Witchhouse" wie räudigster Garagensound klang, schenkten wir uns den Rest des Konzertes. Vielleicht wäre eine halbe Stunde Pause und das Beheben der Probleme in aller Ruhe besser gewesen. Dann hätte man, wenn auch verkürzt, eventuell doch noch den ganzen Pretentious, Moi?-Sound genießen können...
Bei den Headlinern Vendemmian war der Sound der Instrumente wieder um Einiges besser - nicht optimal, aber erträglich. Und da Band und Fans hart im Nehmen sind, legten beide Seiten auch gleich von Beginn an gut los. Alle am Tanzen und Dave spielte wie ein junger Gott… nur Mark schien nicht in bester Verfassung zu sein. Das war dann doch wohl mal einer zuviel. Tapfer sang das Publikum, tanzte und feierte. Die Texte kennt man, die Melodien liebt man, also hält man durch! Zugaben gab's keine, wie auch?
Etwas gefrustet begann die Aftershow - und die machte das eben Geschehene denn auch gleich wieder wett. Abtanzen pur. Das war auch nötig, für uns aber leider nicht bis in den frühen Morgen, da wir dann schon unsere Herberge räumen mussten.
Das erste Emergency Exit Festival 2012 war ein Erfolg, wenn auch mit einigen Abstrichen. Wir hatten viel Spaß, haben viele alte Freunde wieder getroffen, einige neue nette Menschen kennen gelernt und werden beim nächsten Mal sicher wieder am Start sein. Mittlerweile ist Dornbirn schon so etwas wie der ständige Urlaubswohnsitz für uns geworden und wer gerne gute Musik, nette Menschen und eine familiäre Atmosphäre mag, dem seien die Events im "Kulturcafé Schlachthaus" - egal ob Emergency Exit Festival, New Old Way Party oder Playground Twist - ans Herz gelegt. Vielleicht trifft man sich!
Zu den Festivalfotos...
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Emergency Exit Festival 2012 @ LabelLos.de |
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