Runter mit den Spendierhosen, liebes Publikum!
Schon seit Ewigkeiten höre ich die Ärzte, doch bisher hatte ich noch nie das „Vergnügen“ sie auch Live auf einem Konzert zu erleben. Etliche Mitschnitte und Videos habe ich schon gesehen, also dachte ich mir: „Wieso nicht mal selbst hingehen?“
Trotz Bedenken, dass ein Konzert in einer so großen Location (Messehalle Erfurt) wahrscheinlich nicht ganz nach meinem Geschmack sein würde, fuhren mein Mitbewohner und ich hin. Und was uns da erwartete, kann man eigentlich nur so zusammenfassen: ???????????????
Das erste, was ins Auge stach, waren wohl wir. Denn außer uns und noch zwei oder drei Iro-Trägern sah für mich keiner so aus, als ob er/sie die Ärzte schon länger als drei Jahre kennen würde. Ich war doch recht erstaunt, auf dem Konzert einer Altpunk-Band so viele Baggypants, hellblaue Schlagjeans und kribbelbunte Pimkie-Shirts zu sehen.
Trotz allem weiterhin frohen Mutes, ging es dann vom Foyer Richtung Halle. Der Vorhang fiel, das Konzert begann…
…und zwar mit einigen Stücken der neuesten Veröffentlichung „Jazz Ist Anders“.
Ich gestehe, ich hatte zuvor noch nicht in die Scheibe reingehört. Und dementsprechend verwundert war ich auch über das aktuelle Ärzte-Liedgut. „Wo haben diese merkwürdigen Männer die Ärzte versteckt?“, kam mir in den Sinn. Denn wirklich keines der neueren Stücke hat etwas mit den Ärzten zu tun, wie ich sie kenne. Von Pop-Rock, über Elektroanleihen und Funk, bis hin zu Metal und dem reinsten, puren Pop fühlte ich mich an alles erinnert - nur der Punk, der war irgendwie abhanden gekommen.
Meine Laune sank doch relativ schnell in den Keller und konnte auch durch die einstudiert wirkenden Gags von Belafarinrod nicht wieder gehoben werden, die dem Großteil des restlichen Publikums aber gut zu gefallen schienen. Denn alle machten mit, applaudierten bei den sinnlosesten Dingen und lachten über die flachsten Witze. Schon interessant, wenn allein die Bekanntheit einer Band dazu ausreicht, das Publikum mit einer halbnetten Aufforderung zum Klatschen zu bewegen… !
Natürlich war aber nicht alles schlecht. So war ich zwischenzeitlich doch angenehm überrascht, als auch ältere Lieder gespielt wurden, zum Beispiel „2000 Mädchen“, „Ich bin reich“, "Alleine in der Nacht" oder „Zu spät“. Und selbst das lange verschollen geglaubte „Teenageliebe“ wurde vorgetragen, welches eine der insgesamt 13 Zugaben war. Nun, das mag für einige viel und unheimlich publikumsfreundlich klingen - für mich hingegen war klar, dass das alles ein geplanter Teil der Show war und sich die drei Ärzte nur gerne mal beklatschen und betteln lassen.
Ein Lob geht im Übrigen an dieser Stelle an die Lichttechniker, die wirklich ganze Arbeit geleistet haben. Zumindest die Background-Show war ein voller Erfolg und zeugte von Können.
Nach knapp drei Stunden war das Konzert schließlich zu Ende. Und ich war, im Gegensatz zu den meisten anderen, einfach nur eines: enttäuscht. Die Ärzte sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Soviel steht fest.
Natürlich bin ich niemand, der einer Band die musikalische und persönliche Weiterentwicklung übel nehmen würde. Auch die genreübergreifenden Ausflüge und Experimente seien durchaus jedem gestattet. Ich finde das sogar gut. Aber die allgemeine Tendenz ist am Ende doch entscheidend. Und die geht bei den Ärzten in genau eine Richtung: Mainstream … und den damit verbundenen hohen Absatz- und Umsatzzahlen. Farin sagte während des Konzertes sogar selbst, dass es toll wäre, so viel Geld zu verdienen und dankte den Konzertgästen auch noch dafür. Alle klatschten.
Darum hier mein Rat an alle langjährigen Ärzte-Fans: RUNTER MIT DEN SPEDIERHOSEN!
Es lohnt sich weder auf ein Konzert zu gehen, noch sich neue Alben (inklusive der Platten der letzten Jahre) zu kaufen. Ihr werdet nur enttäuscht. Lasst es. Der Ärzte-Punk ist tot. Und die einstmals beste Band der Welt auf dem unsteinigen Weg in den mittleren Durchschnitt-Sumpf.
Mein Beileid.
Vielleicht sollten die Ärzte doch mal wieder eine Tour durch kleine Underground-Clubs machen, um den Bezug zu ihren Wurzeln, der Szene und ihren alten Fans nicht ganz zu verlieren … wenn es nicht schon zu spät ist!
Und liebe Ärzte: kauft euch 'ne Tüte Rhythmus- und Taktgefühl! Ich konnte wegen der vielen Rhythmusschwankungen kaum ein Lied durchtanzen.
Setlist:
Himmelblau
Lied vom Scheitern
Hurra
Nie wieder Krieg, nie mehr Las Vegas!
Angeber
Blumen inkl. Gehn wie ein Ägypter
2000 Mädchen
El Cattivo
Heulerei
Deine Schuld
Manchmal haben Frauen...
Die ewige Maitresse
Breit
1/2 Lovesong
Ich bin reich
Madonnas Dickdarm
Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)
Tu das nicht
Lasse redn
Der Graf
Nichts in der Welt
Perfekt
Westerland
Ignorama
Rebell
Elektrobier
Punkbabies
Schunder-Song
Junge
Ich weiß nicht ob es Liebe ist
Alleine in der Nacht
Teenager Liebe
Zu spät
Ein Sommer nur für mich
Wir sind die Besten
Schrei nach Liebe
Unrockbar
Dauerwelle vs. Minipli
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Geschrieben von Moon am 2007-12-11 15:25:06 Ja, der Ärzte-Punk ist tot - und das schon seit geraumer Zeit! Ich hatte Die Ärzte 1997 (glaub ich) ebenfalls in Erfurt gesehen - damals noch in der Thüringenhalle. Das Beste an diesem Konzert war die Vorband -WIZO-. Und nicht nur ich war dieser Meinung sondern das gesamte Publikum, denn bei WIZO wollten wirklich alle noch mehr Zugaben hören, die Ärzte kamen dagegen eher ungebeten auf die Bühne zurück um noch einmal allen zu beweisen, dass sie längst nicht mehr das sind, was sie vielleicht einmal waren. Da halfen "alte Kamellen" auch nicht wirklich viel! Vielleicht sollte man mit den Ärzten wie mit verstobenen Angehörigen umgehen und einfach die schönen Erinnerungen, also ihre alten Stücke, in Erinnerung bewahren und Negativ-Erscheinungen wie ihre letzten Alben ganz gekonnt ausblenden | Geschrieben von ClayMan am 2007-12-10 21:16:37 KoRn rulez | Geschrieben von Silver am 2007-12-11 15:38:23 @ Moon Ja, da hast du wohl recht. Die guten Erinnerungen sollte man bewahren. Trotzdem, schade drum... Übrigens wollten sie für die Karten doch echt 39 Euro haben! [Zur Erinnerung: Laibach, die Urväter einer ganzen Szene, die weltweit etwa 5 Mal so bekannt sind, verlangen gerade mal 20] Und sich dann noch während des Konzertes über illegale Downloads zu beschweren, find ich schon ganz schön dreist. | Geschrieben von Lydia am 2008-03-20 17:33:11 "Darum hier mein Rat an alle langjährigen Ärzte-Fans: RUNTER MIT DEN SPEDIERHOSEN! Es lohnt sich weder auf ein Konzert zu gehen, noch sich neue Alben (inklusive der Platten der letzten Jahre) zu kaufen. Ihr werdet nur enttäuscht. Lasst es. Der Ärzte-Punk ist tot. Und die einstmals beste Band der Welt auf dem unsteinigen Weg in den mittleren Durchschnitt-Sumpf. Mein Beileid." Die Rezension ist einfach nur peinlich und für jeden wirklichen Ärzte-Fan fast schon beleidigend. Und dass du mit deinem Fazit auch noch zum Boykott aufrufst, ist noch viel schlimmer. Die Ärzte haben ihre Musik nie wirklich als richtigen Punk verstanden, sondern mit dem Begriff gespielt. Sollte man doch eigentlich wissen, als sogenannter langjähriger Fan, nicht? Sinnvoller wäre es gewesen, wenn du dich etwas mehr mit dem Thema beschäftigt hättest und dir vor dem Konzert, welches zu der Tour zum neuen Album gehörte, auch jenes mal angehört hättest. Und noch eine Bemerkung zum Ticket-Preis: Der Vergleich hinkt ein wenig, wie ich finde. Das Publikum von Laibach und den Ärzten ist überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Die Ärzte sind in Deutschland eine absolut erfolgreiche Pop-Band und sprechen nahezu alle Altersklassen (sagen wir grob bis 50) an. Laibach hingegen ist zwar "bekannt", rangiert aber eher im Untergrund und zieht nur Leute aus einer bestimmten Gruppe. Dazu kommen noch die Kosten für Veranstaltungsort und alle anderen fälligen Kosten. Preisfrage: Messehalle Erfurt vs. F-Haus. Wer ist wohl billiger?
| Geschrieben von preacher_man am 2008-03-20 18:31:43 "Die Rezension ist einfach nur peinlich und für jeden wirklichen Ärzte-Fan fast schon beleidigend." Hm, sehe ich irgendwie nicht so. Die meisten, die ich kenne, die früher mal Ärzte-Fans waren, wenden sich mittlerweile, zumindest was die neuen Sachen betrifft, von der Band ab. Wer's jetzt noch mag: bitte! Und wer sich gerne das Geld aus der Tasche ziehen lässt - für drei Stunden hohles Rumgelaber und schräge Töne - der soll das auch gerne tun. Aber da geh'ich doch lieber zu Mario Bart, da haben die Witze wenigstens noch ein bisschen Sinn. Und noch ein größerer Vorteil wartet bei Mario Bart. Man muss sich nicht so viel, mittlerweile unqualifiziertes Rumgeklampfe anhören. Früher konnten die Ärzte ihre drei Akkorde wenigstens. Und im Übrigen: der Vergleich mit Laibach mag hinken, wenn Künstler allerdings endlich nach Leistung bezahlt werden würden und ned nach Schnittchenpopularität, dann müssten Laibach wohl mindestens 200 € für 'ne Karte verlangen. Die Kosten für die Location brauchste auch ned anzuführen, die sind im Vergleich zur Gage Peanuts. Die muss man nämlich auch mal auf die Kapazität der Location umrechnen. Ebenso verhält es sich mit den Kosten der Technik etc. P.S.: Noch ne Frage hierzu: "Die Ärzte haben ihre Musik nie wirklich als richtigen Punk verstanden, sondern mit dem Begriff gespielt. Sollte man doch eigentlich wissen, als sogenannter langjähriger Fan, nicht?" Haste das aus'm Ärzte-Handbuch abgeschrieben? Muss jetzt jeder die Meinung der heiligen Bela-Farin-Rod-Bibel beten? Ich erinnere nur mal kurz an die Böhsen Onkelz, die nach eigener Einschätzung dann auch plötzlich "links" waren und George Bush erzählt auch jedem, dass er ein demokratischer Präsident ist. Vielleicht dürfen sich aber in deiner Welt auch noch einige Leute ihre eigenen Gedanken machen und die Umwelt so darstellen, wie sie sich ihnen bietet? Ich mein, muss ja ned jeder... sieht man ja... Für jemanden, der sonst eigentlich immer Wert auf gut gemachte und authentische Musik legt, schlägst du hier meines Erachtens eindeutig in die falsche Kerbe. | Geschrieben von Lydia am 2008-03-20 19:15:08 Bands entwickeln sich und ich habe nicht behauptet, dass ich die Ärzte immer noch bedingungslos gut finde. Das letzte von mir besuchte Konzert (insgesamt waren es 3 über meine Teenagerzeit verteilt) war 2003 oder 2002. Im Übrigen sind die Konzerte generell so aufgebaut, d.h. erst der neue Kram und in der "Zugabe" die Klassiker. Das letzte Album finde ich nicht berauschend und mein Interesse an der aktuellen Entwicklung der Band ist inzwischen auch eher im Bereich der Raumtemperatur. Aber das ist eigentlich auch nicht der Punkt. Dieser Text, der sich Rezension nennt, erweckt den Eindruck, dass die Ärzte immer mehr verblöden und seit 10 Jahren schlechte Musik machen. Seit die Ärzte kommerziell Erfolg haben, nutzen sie das und haben das nie bestritten. Eher im Gegenteil. Ich weiß auch nicht, was es daran jemals falsch zu verstehen gab. Für jeden, der sich über ein Konzert informieren will, ist der Text einfach nur abschreckend und die detailreiche Beschreibung der anwesenden Fans mit dem mitgelieferten O-Ton unsachlich und daneben. Dazu kommt noch, das die Autorin sich nicht einmal das Album vorher angehört hat. Will man eine ernsthafte Rezension zu einem Konzert verfassen, sollte man sich doch vorher mal etwas schlau gemacht haben, um dann nicht im Dunkeln zu tappen. Das sollte man als Leser von einer Konzertbewertung erwarten können.
| Geschrieben von Silver am 2008-03-20 22:23:00 Na Mensch, da polarisiere ich ja echt die Massen hier. Was soll ich dazu sagen... ich fass mich kurz. Also, eine Rezension ist nie neutral und objektiv. Das unterscheidet sie z.B. von einer News. Der Schreiber drückt aus, was er/sie denkt. Du hast deine Meinung und ich meine. Und Letztere hab ich oben geschrieben. Ansonsten... So wie ich das Publikum beschrieben habe, so war es auch. Und die abschreckende Wirkung... ? Ich denke, dass jemand, der die Ärzte, so wie sie heute sind, sehr gerne mag, meine Rezi eh für blöd hält und sich demzufolge nichts draus macht bzw. vielleicht auch anfängt sich zu informieren (Wie waren die Ärzte früher und wie sind sie heute?). Und die Leute, die die Sachlage genauso sehen, wie ich (und davon gibt's genug), werden mir wohl zustimmen. So ist das mit Meinungen - die einen lehnen sie ab, die anderen schließen sich an. Was das Reinhören ins Album angeht... ich kannte einige Lieder schon, einige nicht. Dass wir die Karten bekommen haben, kam relativ kurzfristig, so dass ich für eine großartige Informationsbeschaffungs-Session keine Zeit hatte. Die Preise... da bleib ich dabei, dass 40 Euro für so'n Konzert absolut überteuert sind. Gerade weil die Location so groß ist und so viele Leute rein passen, kann man solche Konzerte günstiger machen. Alles andere ist Geldschneiderei. Und als Letztes... da du mir ja zustimmst, dass die Musik der Ärzte in den letzten Jahren nicht besser geworden ist (Popmusik-Liebhaber und viele Teenies mögen das anders sehen), muss ich über diesen Punkt wohl auch kein Wort mehr verlieren. Jut, dann bin ich jetzt fertig. | Geschrieben von Silver am 2008-10-20 23:24:42 Jetzt ist das schon fast ein Jahr her, aber ich find die Rezi und die Diskussionen immernoch witzig *g*. Das war sicher nicht der tiefgründigste Text, den ich geschrieben habe, aber alles, was drin steht, musste mal gesagt werden. Und ich seh's heute auch noch genauso. |
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