Teil der Spannungen, des Hasses und der Probleme, welche im "Sex" des Menschen ihre Trieb-Feder haben, zu minimieren. Widersprüchlich, wenn man sich insbesondere das Fetisch-Video zu dem Song "The Beast" ansieht (Youtube-Video), welches weder musikalisch, noch visuell für westliche Ohren und Augen eine Überraschung bergen mag, doch - wie Draw sagt - in Russland bezüglich Inhalt und der Ästhetik der Visualisierung auf Konfrontationskurs geht. Geschlechterrollenverteilung und Diskriminierung von allem Nichtangepassten und außerhalb des "Normalen" Orientierten sei in diesem Land nach wie vor ein Problem, sagt Draw.
Otto Dix verstehen sich als Pioniere in ihrem Land. Dies gilt aber auch für den Westen, dessen Hörer sich schwer tun, Musik und Musiker der östlichen Nachbarländer in ihre Anlagen zu lassen. Otto Dix - schon mit ihrem Namen westlich zugeneigt - bemühen sich dennoch, Grenzen zu überschreiten, die nach Westen ebenso wie innerhalb der Musik. Ihre Lieder bringen östliche und westliche Stimmungen zusammen. Die neue CD beginnt tanzbar und techno-elektronisch, bis auf die russische Lyrik nahezu westlich und anfangs als wenn Suicide Commando und Deine Lakaien gemeinsam einige Tropfen ihres Blutes gespendet hätten. Michael Draw hat stärker als je zuvor mit seiner Stimme gearbeitet. Teils elektronisch verfremdet, teils in tieferen Tonlagen, aber stets klar und in seinen hohen Tonlagen bis zum Sopran mit lang geschwungenen, schönen und ausgefeilten Melodiebögen im Kontrast zu der harten, programmierten Rhythmik.
Wehmütige Synthesizerlinien im Hintergrund schweben begleitend wie Geister von Verstorbenen über sibirischem Moor. Im Vordergrund steht sehr präsent die Violine, als solche nicht erkennbar, vielmehr einer rockenden elektrischen Gitarre ähnlich; verstörend, treibend, zerrissen. Der Violine werden nur wenig Gelegenheiten geboten, sich als solche mit akustischem Ambiente zu präsentieren. Auch sie ist eingebunden in die maschinelle Elektronik, die "Wonderful Days" dominiert. Jedes einzelne Lied besitzt verschiedene Dimensionen aus Vorder- und Hintergrund und daraus resultierenden aufgeladenen Spannungsfeldern. Das Album entwickelt im weiteren Verlauf zunehmend ruhige, romantische Züge; insgesamt wirkt es homogener und ausgewogener als die früheren Produktionen. Die slawischen Wechselbäder der früheren Platten weichen geglätteten, überlegteren Kompositionen. Hatte man früher noch mit der Konfrontation von schmelzender Ballade und darauf folgendem harschen Elektrorock zu tun, hat man die Gegensätze nun zugeschliffen, den Cocktail gerührt, nicht geschüttelt.
Dies soll nicht heißen, dass der Balladen-Zugeneigte darauf verzichten muss. "Little Prince" beginnt mit einem sehr schönen Piano/Vokal-Duo, ehe die Maschinen zu einem langsamen Tanz laden, in den sich die singende Violine mischt. Und wie immer, wie früher und unverändert bildet keine unbeschwerte Heiterkeit, sondern vielmehr ein melancholischer, theatralisch-tragischer Grundton das Fundament der Töne. Beschwingte Melodien, ja, und ein abwechslungsreiches, jedoch nicht ungewöhnliches Songwriting, manches wie bei "The Beast" nahezu glatt und in Harmonien schwelgend und trotzdem... entwickelt Otto Dix zunehmend einen Unterhaltungswert eigener Dimension. Die Suche nach Harmonie unter unharmonischen Umständen gebiert Disharmonien in harmonischen Gewändern. Nichts für Sonnenkinder. Und nichts für jene, die denen hinterher laufen, die den Markt bestimmend mit Parolen übersättigen. Für jene, die sich gern selbst auf Entdeckungstour begeben.
Tracklist (englische Übersetzungen laut Label):
01. Those Who Will Be After
02. The Wonderful Days
03. The Machine
04. The Speed
05. The Iron Rod
06. A Man, Who Doesn't Write Prose
07. Glass Flowers
08. Little Prince
09. Icarus
10. The Beast
11. Undressed
12. Indigo
13. AOUM
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