Two days of Goth, Wave and Postpunk... |
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Freitag
Nach ca. sechs Stunden Fahrt und dem Bezug unseres Wochenendquartiers flogen wir recht pünktlich gegen 20:30 auf dem Judgement Day Festival ein und da an diesem Abend nur zwei Bands auf dem Programm standen, hatten wir vorher genügend Zeit uns umzusehen, das erste gemütliche Bierchen zu trinken und die ersten Leute kennen zu lernen. Ernüchterung folgte vorerst an der Bar: Vorarlberg kennt kein Schwarzbier. Das werden wir bei unserem nächsten Besuch wohl ändern müssen. Mit "Mohren Gambrinus" fanden wir allerdings würdigen Ersatz - sehr süffig und drehfreudig. *g*
Mit seiner 11. Auflage ist das Judgement Day Festival Österreichs ältestes Festival für die Anhänger von Batcave, Postpunk, Wave und Gothrock und ein Dinosaurier unter den kleineren, mit viel Liebe und Herzblut organisierten Independent- und Underground-Events abseits der massentauglichen Goth-Mainstream-Spektakel. Mit 10000 oder gar 20000 Besuchern kann man hier nicht rechnen und das ist auch gut so, macht es doch gerade seine Überschaubarkeit zu einem echten Familienerlebnis der Tradgoth-Anhänger und das in einer überaus angenehmen Location.
Apropos Location: Traditionell fand das Judgement Day auch dieses Jahr wieder im Spielboden Dornbirn in Österreich statt. Nur einen Katzensprung von Deutschland und der Schweiz entfernt - und nicht viel weiter vom nördlichen Italien - ist Dornbirn die größte Stadt des Bundeslandes Voralberg.
Der Spielboden als Location gilt in der Region als die letzte Bastion für Kulturveranstaltungen aller Art. Eingerichtet in einer ehemaligen Textilfabrik gibt es hier regelmäßig die verschiedensten Angebote vom Jazz-Festival über Flamenco-Kurse bis hin zu Lesungen, Kabaretts und (Goth-)Konzerten. Selbst ein gemütlicher Kinosaal ist vorhanden und bildete an diesem Wochenende das "Dark Movie Area". Neben dem Konzertsaal für bis zu 600 Personen, ideal eingerichtet mit einer treppenförmigen Tribüne, großer Bühne und einer Licht- und Soundanlage, die keine Wünsche offen lässt, besteht der Spielboden noch aus einem Probesaal, dem großen Foyer (in dem neben der Kasse hier auch die diversen Merchandise-Stände ihren Platz fanden) und der Kantine, in der es neben jeder Menge Getränke und Snacks ein eigenes DJ-Team zur Unterhaltung der Gäste gab. An dieser Stelle schon mal einen schönen Gruß an DJ illi und das NOW-Team, wir sehen uns im Juni. ;-)
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Als erste Band sollten an diesem Abend Grooving In Green die Bühne betreten. Die beiden ehemaligen Children On Stun Pete Finnemore und Simon M., die sich für die Gitarren- und Bassarbeit verantwortlich zeichnen, haben sich für ihr neues Projekt MegaTRON ans Mikro geholt. Dieser war vorher bei den Gothrockern von Solemn Novena aktiv und trotz einiger Bühnenerfahrung, die er mittlerweile gesammelt haben dürfte, wirkte Tron ganz schön aufgeregt und sympathisch hibbelig. :-) Mit ihrem schnellen, tanzbaren Gothrock versuchten die Briten das Publikum sofort zum Mitmachen zu bewegen, was für den Opener auch schon ganz gut gelang. Songs wie "Descent" suchten sich bereits per MySpace ihren Weg ins Ohr der Gothrockgemeinde und setzten sich dort fest. Die angereisten Fans aus dem Vereinigten Königreich sorgten zusätzlich für Stimmung. Leider fanden noch nicht alle Zuschauer den Weg zur Bühne und wie es halt so ist, muss man sich ja auch erstmal auf den Abend einstimmen. Dafür hatten die Anwesenden etwas mehr Platz zum Tanzen. Neben den GIG-eigenen Songs gab es natürlich auch einige Children On Stun Klassiker und spätestens hier kam das Publikum endlich in Fahrt. Bei "Whiskey A-Go-Go", "Celebration" und "Cats Or Devils Eyes" kann man nicht stillstehen. Besonders herausragend war die Stimmarbeit von Tron. Mit Abwechslungsreichtum und Improvisationstalent zeigte er, dass hier eine Menge Potential seinen Weg auf die Bühne gefunden hat, auch wenn er mir persönlich live etwas zu sehr nach Brian Molko (Placebo) klingt. Zwischendurch wurde noch der Rentenstatus der Drummachine Doctor Toxic angekündigt und für nächstes Jahr der neue Drummer Steve Drawbridge vorgestellt, der sich vorerst noch die Songs beim Tanzen einprägen darf. Mit jeder Menge Situationskomik auf der Bühne, wie "Shit, mir kam gerade das Mineralwasser durch die Nase" verging der "GIG-Gig" wie im Fluge und nach der obligatorischen Umbaupause standen Ikon auf der Bühne.
Wer Ikon kennt, der weiß, dass hier nicht unbedingt gerockt wird. Angenehm schwelgender Guitarwave, mal etwas elektronischer angehaucht, mal etwas folkiger, umspült die Ohren. Das weiß man und so kann ich die Meinung unseres Rezensenten zum Ikon-Gig in Hamburg nur bedingt teilen. Das Set der Australier lies eigentlich keine Wünsche offen, von Klassikern wie "Condemnation" oder "I Never Wanted You" bis zu Coverversionen von Death In June und The Cure war alles vorhanden, was man zu einem klassischen Ikon-Konzert braucht und so herrschte auch ganz gute Stimmung im Publikum. Dass bei einer Drei-Mann-Combo die Drums und die Keyboardspuren vom Band laufen ist nicht ungewöhnlich, allerdings sollte man bei Ikon doch etwas mehr auf Handarbeit setzen. War das Bassspiel von Dino Molarino noch erstklassig, konnte man dies von Anthony Cornishs Gitarrenarbeit nicht gerade behaupten. Wenigstens die vorhandenen Live-Instrumente sollten erstens beherrscht und zweitens nicht noch mit Playback hinterlegt werden. Trotz dieses Mangels war es musikalisch ein sehr angenehmes Erlebnis, die Songs von Ikon mal wieder "live" zu hören.
Freitags liegt beim Judgement Day das Hauptaugenmerk auf Party und so dauerte es auch nicht lange, bis die Aftershow im Bühnensaal begann, während das NOW-DJ-Team ja schon den ganzen Abend in der Kantine zu Gange war. Eine ständig gut gefüllte Tanzfläche, jede Menge nette Gespräche und der ein oder andere Umtrunk mit den Bands des Abends und denen des Nächsten ließen WWWY-Feeling aufkommen. Beim zwischenzeitlichen Luftschnappen liefen uns dann noch Twisted Nerve, deren Gig am nächsten Abend stattfinden sollte, über den Weg. Die Schotten waren wohl - wie es sich für Schotten gehört - die Feierwütigsten des ganzen Wochenendes und so endete ein kurzer Plausch vor dem Spielboden mit den Worten von Sänger Craig "We're totally pissed. Too drunk. We have to go to the hotel now.". Irgendwann gegen 3 Uhr morgens war der Tag für uns allerdings auch lange genug. Die Party musste ohne uns weitergehen...
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Samstag
Ausschlafen, einkaufen, Essen jagen. Dabei entdeckten wir erst einmal unweit von Dornbirn in einer Innenstadt unseren Slogan für dieses Wochenende: "JAUCHE GEGEN RECHTS". Nur Essen fanden wir vorerst nicht. Um eine ordentliche Grundlage zu schaffen, empfiehlt sich das traditionelle "Wiener Schnitzel" und nach zwei Stunden Suche nach einer Kneipe, die auch am Nachmittag warmes Essen anbietet, wurden wir endlich fündig: der Vorarlberger Hof - sehr viel, sehr gut, sehr günstig! Magentechnisch gut auf den Abend vorbereitet, trudelten wir gegen 19:30 dann wieder am Spielboden ein. Bis zur Öffnung des Konzertsaals gegen 21:15 vertrieb man sich die Zeit mit Kaffee, Bier oder Einkäufen. Schade war nur, dass das zum LineUp gehörige Bandmerchandise eher rar gesät war. Weder von Grooving In Green noch von Twisted Nerve waren Artikel zu erwerben und auch von Nichts gab es eigentlich nichts. Dafür konnte man am gut sortierten Strobelight Records Stand jede Menge überschüssiges Geld loswerden und das Interesse war gar nicht mal so klein, wie man in der digitalen Zeit denken könnte. Original ist halt original.
Was am Samstag übrigens sofort auffiel, war die gestiegene Anzahl an perfekt gestylten Iros. Die 80er-Legende Nichts scheint da doch einige ins Vorarlberger Land gezogen zu haben. Aber zu denen später mehr. Insgesamt war das Publikum an diesem Wochenende sowieso sehr angenehm, von knappen 20 bis zu über 50 reichte der Alterspagat und Benehmen war zu 90% tadellos. Selten sah man am Ende eines Abends so saubere Toiletten auf einem Festival.
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Mit der ersten Band des Samstags gab es dann gleich eine Premiere: Pretentious, Moi?.
Tim Chandlers Ein-Mann-Projekt existiert schon einige Jahre, veröffentlichte einige Demos, fand viel Anklang in der Szene und heute stand endlich das lang erwartete Live-Debüt an. Der Konzertsaal war noch um Einiges besser gefüllt als am Vortag und so konnte es denn losgehen.
Wirken die Songs digital recht elektronisch und etwas leichtfüßiger, entfaltete sich Live doch eher ein Rockfeuerwerk. Wen wundert es bei drei Gitarristen auf der Bühne? Tim Chandler am Mikro merkte man von debütantischem Lampenfieber nicht das Geringste an, die Posen passten. Musikalisch erinnerten mich Pretentious, Moi? mehr und mehr an die etwas moderneren, härteren Gitarrenklänge des Endneunziger-Gothrock, wie ihn beispielsweise die Dreadful Shadows oder Still Patient? spielten. Die tiefe Stimme des Frontmannes tat ihr Übriges dazu. Düster & groovend beschreibt den Livesound von Pretentious, Moi? wohl am ehesten. Das Publikum groovte mit und honorierte die Debüt-Show entsprechend euphorisch. Sollte sich das britische Projekt noch um einen Bassisten und einen Drummer erweitern, scheint einer entsprechenden "Live-Karriere" auf jeden Fall nichts im Wege zu stehen. Diese hat die nächste Band schon vor 27 Jahren begonnen...
Twisted Nerve, Postpunk-Urgestein aus Schottland, gegründet Ende der 1970er, sollten für uns das Highlight des Festivals werden. Schon beim Opening Title "Scaramouche" war klar, dieses Konzert würde schweißtreibend werden. Sperrigen Postpunk sucht man bei den "Jungs" aus Edinburgh vergeblich. Rock, Punk und Gothrockeinflüsse ließen jeden Track zum Tanzflächenknaller werden. Fronthühne Craig heizte das Publikum ordentlich an und lieferte mit Rikki Stiv (Gitarre), Norbert Bassbin (Bass) und Billy D an den Drums eine grandiose Show. Vor allem die Basslinien ihrer Musik haben sich von Beginn an eingebrannt und gehören mit zum Besten, was man Live erleben kann! Egal welches Lied, ob "Medusa", "Seance" oder "Gargoyle" - vor der Bühne tobte der Mob und mit den Coverversionen von Velvet Undergrounds "White Light, White Heat" und dem Stooges-Klassiker "Search & Destroy" haben sich die Scotsmen ein zusätzliches Denkmal gesetzt. Nach einer Stunde Schweißbad vom Feinsten war leider alles schon wieder vorbei und eine Pause war unabdingbar - aber anscheinend nur für uns, denn auf Grund von stundenlangem Stau verspäteten sich Blacklist und so wurde das Konzert der eigentlichen Headliner Nichts kurzerhand vorverlegt.
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Wie lange hatten wohl Einige auf diesen Auftritt gewartet? Bereits 1983 löste sich Nichts - die NDW-Band, die nie eine sein wollte - auf und nach 26 Jahren scharte Bandgründer Michael D. Clauss alias Micky Matschkopf nun endlich ein neues LineUp um sich, um eine paar rare Auftritte zu absolvieren. Lediglich einen öffentlichen Testlauf gab es vor dem Judgement Day Festival und so wurde die Band natürlich gebührend mit frenetischem Applaus begrüßt. Dass U.F.O. Walter, Joe Cherrygen und vor allem Frontfrau Barbarella Pustekuchen neu in der Band sind, fiel in keiner Weise auf. Überraschend frisch, voller Elan und doch so professionell, als würden sie schon seit 20 Jahren zusammen auf der Bühne stehen, präsentierte der Vierer einen Hit nach dem anderen von "Eingeschlossen" über "Kartoffelsalat" bis zu "Scheiße", "10 Bier zuviel" und "Radio". Zwischenrufe des Publikums nach dem Lied "Licht aus" wurden beantwortet mit "Kommt noch! Je später der Abend desto Lichter aus!" und so kam es denn auch noch, genauso wie ihr größter Hit "Tango 2000". Die Tanzfläche wurde nicht leerer, das Publikum nicht leiser und obwohl sich Sängerin Barbarella vorsichtshalber mal noch einige Lyrics mit eingepackt hatte und man sich ab und an nicht ganz über die Setlist einig war, überzeugten sie mit viel Witz und großer Spielfreude auf ganzer Linie. Diese Band hat heute noch ihren Platz im Musikuniversum und hebt sich zweifellos damals wie heute weit vom klischeehaften Schlager- und Primitiv-NDW ab.
Nach soviel "Party pur" musste man sich erstmal wieder etwas herunterfahren und sich seelisch und moralisch auf den letzten Akt des Abends vorbereiten. Im Foyer traf man wieder einige interessante Leute, wie z.B. Sol. Der Sänger der spanischen Goth/Wave-Band The Eternal Fall versuchte sich in Promotionarbeit und verteilte einige CDs. Sotlltet ihr euch übrigens Gitarrist oder Bassist nennen, The Eternal Fall sind gerade auf der Suche nach Musikern und da Sol mittlerweile in Bayern lebt, ist es auch nicht ganz so weit. Dies nur als kleiner Hinweis... ;-)
Irgendwann löst sich auch der längste Stau auf und so standen nun endlich Blacklist aus Brooklyn / New York auf der Bühne. Am Vorabend hatten sie ihr Europadebüt in Berlin gegeben, nun sollte der Indierock-Geheimtipp also Dornbirn headlinen. Leider war ein Teil des Publikums nach dem Auftritt von Nichts schon gegangen. Dabei waren Blacklist eigentlich ein guter Ausklang für das Judgement Day. Mit klar strukturiertem Songwriting, eingängigen Refrains, angenehm vor sich hin wummernden Drums, beruhigendem Basspiel und den darauf aufsetzen Gitarrenläufen, die mal mehr gothrockig, mal mehr indietypisch oder im Stil von The Cure zum Einsatz kamen, vermochten die Songs schon so etwas wie Wehmut zu erzeugen, sollte doch dieses Wochenende schon wieder vorbei sein. Das anwesende Publikum schien dies ähnlich zu sehen und so wurde zwar nicht mehr überschwänglich getanzt, die Performance aber wohlwollend gefeiert. Leider fiel beim letzten offiziellenTrack eine Gitarre aus. Die Schotten von Twisted Nerve boten zwar an, ihr Werkzeug noch einmal hervorzuholen, doch auch dies hätte wohl zu lange gedauert und so wurde das Konzert recht abrupt und ohne Zugabe beendet.
Da noch lange nicht alle genug hatten, ging es auch an diesem Abend natürlich mit Musik aus der Konserve weiter. Die Playlist war auch heute wieder perfekt auf das Publikum abgestimmt und die Tanzfläche gut besucht. War allerdings die Lautstärke bei Blacklist schon grenzwertig, schien jetzt leider jede Grenze überschritten. Auch die noch so gute Musik vermochte uns nicht mehr im Konzertsaal zu halten (und wir sind wirklich abgehärtet) und so suchten wir Zuflucht in der Kantine. Dort traf man dann erneut die Protagonisten von Twisted Nerve, die natürlich wieder bester Laune waren. Kurzer Plausch über's "rubbish English" der "real Scotsmen", ein paar Bilder schießen lassen (…müssten nicht eigentlich wir fotografieren? *g*) und weiter zum nächsten Gespräch und - vor allem - zum nächsten Bier. Neben den Schotten waren natürlich auch noch GIG und Teile von Pretentious, Moi? anwesend - es ist ja gerade das Schöne an solchen Events, dass die Bands und die Fans zusammen feiern.
Irgendwann findet aber Alles sein Ende und so mussten auch wir einsehen, dass es langsam Zeit wird. Etwas traurig, aber rundum zufrieden verließen wir die Party. Der nächste Dornbirn-Trip kommt für uns jedenfalls bestimmt, spätestens zum The New Old Way Festival im Juni 2010!
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Zu den Konzertfotos... |
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Grooving In Green @ LabelLos.de
Grooving In Green @ myspace
Ikon @ LabelLos.de
Ikon @ myspace
Pretentious, Moi? @ LabelLos.de
Pretentious, Moi? @ myspace
Twisted Nerve @ LabelLos.de
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Nichts @ LabelLos.de
Nichts @ myspace
Blacklist @ LabelLos.de
Blacklist @ myspace |
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Grüße aus Dornbirn Geschrieben von illi am 2009-10-10 21:15:50 Eine schöner Bericht, grosses lob. Und danke für die Werbung für das New Old Way Festival. greets illi | Geschrieben von preacher_man am 2009-10-12 23:00:25 Danke für die Blumen! Haben uns übrigens schon mit Vendemmian auf'n Bierchen und Toffifee verabredet... *gg* | Geschrieben von illi am 2009-10-26 10:03:01 nur ein bier? | Geschrieben von preacher_man am 2009-10-27 17:08:58 Na man muss ja langsam anfangen! |
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